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Klimakiller gegen Klimakleber
Michèle Winkler über Repressionen gegen die Letzte Generation
Im Moment überschlagen sich die Ereignisse um die Klima-Aktivist*innen der Letzten Generation. Kürzlich wurden erstmals zwei von ihnen zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Das Amtsgericht Heilbronn verhängte infolge einer Straßenblockade je eine Haftstrafe von zwei und drei Monaten wegen Nötigung. Derart kurze Haftstrafen ohne Bewährung auszusprechen, ist mehr als unüblich und muss als politisches Urteil verstanden werden. Schon im vergangenen Dezember hatte die Staatsanwaltschaft Neuruppin mehrere Hausdurchsuchungen gegen Aktive der Gruppe veranlasst und begründete das mit dem Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der Verfassungsschutz will die Letzte Genration zwar vorerst nicht als extremistisch einstufen, hält ihr Agieren aber für teilweise kriminell. Der staatliche Umgang mit der Klimagruppe lässt sich nur als eskalativ bezeichnen.
Die Aktionen der Letzten Generation haben innerhalb kürzester Zeit zu mehreren größeren Empörungswellen geführt, jeweils garniert mit scharfen Strafforderungen durch führende Politiker*innen. Ein Höhepunkt war Anfang November 2022 erreicht, als den Teilnehmenden einer Blockade in Berlin zugeschrieben wurde, einen Rettungseinsatz behindert und somit möglicherweise Anteil am Tod einer Radfahrerin gehabt zu haben. Die Diskussion entfernte sich immer mehr von den zugrundeliegenden Fakten und schaukelte sich innerhalb kürzester Zeit hoch. So warvon »Klima-Terroristen« und »Guerilla-Aktionen« die Rede.
Etwa zeitgleich wurden in Bayern mehrere Aktivist*innen der Letzten Generation für bis zu 30 Tage in Präventivgewahrsam genommen. Dieser unterscheidet sich vom Freiheitsentzug in Folge eines Strafverfahrens. Er wird von der Polizei mit dem Ziel der Gefahrenabwehr bei Gericht beantragt und nach kurzer Anhörung entschieden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erlaubt eine solche Präventivhaft nur unter engsten Voraussetzungen und für sehr kurze Zeit. Viele deutsche Polizeigesetze gehen jedoch seit den jüngsten Verschärfungen deutlich darüber hinaus. Dass dieses Instrument mit diesen langen Fristen gegen Klima-Aktivist*innen genutzt wird, kann getrost als Menschenrechtsverletzung eingeordnet werden. Zumal offensichtlich ist, dass es nicht zur Gefahrenabwehr genutzt wird, sondern zur Bestrafung und Abschreckung. Die Empörung angesichts dieser Rechtsverletzungen und die Solidarität mit den Eingesperrten halten sich jedoch in Grenzen.
Die jüngste Empörungswelle brach sich ab dem 4. März Bahn. Klima-Aktivist*innen hatten eine schwarze Flüssigkeit auf das Denkmal »Grundrechte 49« in Berlin aufgetragen und Plakate mit der Aufschrift »Erdöl oder Grundrechte?« angebracht. Die erwartbaren Reaktionen überboten sich in Wortwahl und Absurdität: Von der »Zerstörung des Grundgesetzes« über die »Hasser der Freiheit« bis zum Taliban-Vergleich war an Vorwürfen alles dabei. Zahlreiche Politiker*innen aller Couleur schwangen sich zu rhetorischen Retter*innen der Grundrechte auf und überboten sich mit peinlichem Pathos.
Doch das Gekreische lässt nur umso deutlicher zutage treten, was die politischen Konsequenzen aus der sich zuspitzenden Klimakatastrophe sein sollen: die möglichst lange Aufrechterhaltung des Status Quo bei gleichzeitiger diskursiver Ablenkung und repressiver Einhegung von Protesten. Die Heilbronner Haftstrafen ohne Bewährung fügen sich ebenso nahtlos in diesen Trend ein wie die gewaltvolle Räumung von Lützerath. Die Regierenden haben sich scheinbar der Klimakrise hingegeben. Sie verwalten diese ohne jegliche Ambitionen und organisieren parallel die Abschottung nach außen und die Repression nach innen – bis zum bitteren Ende. Man muss der Letzten Generation also Recht geben: Es geht ums Überleben.
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