Berliner Adbusterin zieht vor das Bundesverfassungsgericht

Die Verfassungsbeschwerde gegen eine Hausdurchsuchung nach einer Adbusting-Aktion in Berlin geht voran

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.
Sorgt Kritik an der Bundeswehr für härtere Repression? Diesen Eindruck hatte Frida Henkel nach einer Hausdurchsuchung und klagte vor dem Bundesverfassungsgericht.
Sorgt Kritik an der Bundeswehr für härtere Repression? Diesen Eindruck hatte Frida Henkel nach einer Hausdurchsuchung und klagte vor dem Bundesverfassungsgericht.

Für eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Hausdurchsuchung in Berlin wurden erste Stellungnahmen abgegeben. 2019 durchsuchte die Berliner Polizei drei Wohnungen, unter anderem das Zuhause der Jura-Studentin Frida Henkel. Der Grund: Adbusting, also das kreative Verändern von Werbepostern, um politische Botschaften zu übermitteln. Für Henkel überschritt die Durchsuchung wegen eines bemalten Bundeswehr-Plakates jegliche Verhältnismäßigkeit. Deshalb reichte sie mit der Unterstützung der Rechtswissenschaftler Mohamad El-Ghazi und Andreas Fischer-Lescano eine Verfassungsbeschwerde ein.

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Henkel hofft, dass die Klage in Karlsruhe tatsächlich angenommen und entschieden wird. »Das wäre schon außergewöhnlich«, sagt sie zu »nd«. Nur etwa zwei Prozent aller Beschwerden würden tatsächlich weitergeführt. Überrascht wäre sie aber nicht: »Ich fand diese Geschichte von Anfang an so skandalös, deshalb gehe ich davon aus, dass das auch das Bundesverfassungsgericht interessieren könnte.«

Der Skandal beginnt vor dreieinhalb Jahren. Im Sommer 2019 werden Henkel und eine Freundin von einer Zivilstreife dabei erwischt, wie sie ein bemaltes Werbeplakat der Bundeswehr in eine Werbevitrine hängen wollen. Den ursprünglichen Slogan »Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?«, mit dem die Bundeswehr nach IT-Kräften suchte, haben sie so verändert, dass es heißt: »Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!«

Die Polizei nimmt die Personalien der beiden auf. Henkel geht davon aus, dass nun eine Anzeige und darauf ein Verfahren folgen. »Sie hatten ja alle Beweise, weil sie die Situation beobachtet hatten. Daher war für mich die Sache geklärt.« Tatsächlich schreiben die Polizisten laut Informationen des Adbusting-Kollektivs Plakativ in ihrem Einsatzbericht, dass selbst der von ihnen angerufene Hauptkommissar nicht wisse, ob die Aktion überhaupt strafbar sei

Trotzdem taucht einige Monate später die Polizei in Henkels Wohnung auf. Die Studentin erinnert sich an den Schock. »Dass es zu einer Hausdurchsuchung kommt, das war außerhalb meiner Vorstellungskraft.« Die Einsatzkräfte dringen in ihre Privatsphäre ein, nehmen ihr Handy mit und hinterlassen Unsicherheit: »Ich hatte einfach überhaupt nicht das Gefühl, dass das in irgendeinem Verhältnis steht.«

Entscheidend ist in Henkels Augen der Bezug zur Bundeswehr. Denn in dem Antrag des Landeskriminalamts zum Durchsuchungsbeschluss, der anschließend von der Staatsanwaltschaft abgehakt und von einem Gericht beschlossen wird, heißt es laut Henkels Unterstützer*innengruppe Plakativ: Die Aktionsform sei geeignet, den ursprünglichen Sinn der Bundeswehrwerbung »gar lächerlich« zu machen. Ohne den politischen Hintergrund der Aktion wäre es ihrer Einschätzung nach nicht zu einer Hausdurchsuchung gekommen.

Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass der Eingriff in das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung politisch motiviert war. Gerade deshalb ist Henkel der Gang vor das Bundesverfassungsgericht wichtig. »Verfassungswidrige Repression wird besonders dann relevant, wenn sie sich gegen Kritik an der Bundeswehr oder an Sicherheitsbehörden richtet.« Falls das Gericht ihre juristische Einschätzung teilt, wäre das ein wichtiges Signal an die Justiz, Anträge auf Hausdurchsuchungen nicht so einfach durchzuwinken.

Doch selbst ohne ein Urteil in ihrem Sinne sieht Henkel schon jetzt eine positive Entwicklung. Denn bisher habe zumindest ihr Kollektiv von keinen weiteren Hausdurchsuchungen in Berlin im Kontext von Adbusting erfahren. Und die Berliner Staatsanwaltschaft vertrete mittlerweile die Ansicht, dass das Aufhängen eigener Poster in Werbevitrinen nicht strafbar ist. Laut der Gruppe Plakativ wurden Verfahren mit ganz unterschiedlichen Vorwürfen wie Diebstahl, Sachbeschädigung, üble Nachrede oder gar Störpropaganda eingestellt.

In einer früheren Version hieß es, die Verfassungsbeschwerde wurde bereits angenommen. Diese Nachricht basierte auf einer Fehlinformation des Kollektivs Plakativ und wurde richtiggestellt.

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