- Berlin
- Neuregelung Bezirksämter
Berliner Linke verliert letzte Bezirksbürgermeister
Der Streit um die Bezirksämter ist beendet. Die Linke verliert damit ihre letzten Bezirksbürgermeister
Jetzt ist es amtlich: Das Abgeordnetenhaus macht den Weg frei für die Neuregelung der Besetzung der Bezirksämter. Am Donnerstag stimmten CDU, SPD, Grüne und Linke für einen gemeinsamen Antrag, der von denselben Fraktionen eingebracht wurde. Die AfD stimmte gegen den Vorschlag. Diese große Allianz erlaubt so, dass Bezirksbürgermeister und Bezirksstadträte neugewählt werden können, falls sich die Mehrheitsverhältnisse in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVVen) nach der Wiederholungswahl im Februar geändert haben.
Die Sonderregelung war durch eine Regelungslücke notwendig geworden. Das Bezirksverwaltungsgesetz sieht vor, dass Bezirksbürgermeister und -stadträte nach ihrer Wahl zu Beamten auf Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode ernannt werden. Abgewählt werden können sie nur von einer Zweidrittelmehrheit in der BVV – bei vollständigem Verlust von Bezügen und Pensionsansprüchen. Daran ändert auch die Wiederholungswahl nichts, da mit dieser nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts keine neue Legislaturperiode beginnt. Es bestand also die Gefahr, dass manche Bezirksämter von Parteien besetzt werden, die keine Mehrheiten mehr haben.
»Das Wahlergebnis muss sich in der politischen Realität widerspiegeln«, sagte dann auch der SPD-Abgeordnete Torsten Schreiber zur Begründung des Antrags. Der Antrag sieht vor, dass einmalig nach der Wiederholungswahl die jeweils stärkste Fraktion in den BVVen oder ein Bündnis mehrerer Fraktionen Wahlvorschläge für den Bezirksbürgermeister machen können, der im Fall seiner Wahl bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl 2026 amtiert. Wenn sich die Stärkeverhältnisse geändert haben, dürfen die stärker gewordenen Parteien nach Proporz weitere Bezirksstadträte zur Wahl vorschlagen. Die abgewählten Bezirksbürgermeister und -stadträte werden für den Rest der Legislaturperiode freigestellt. Sie erhalten weiterhin Bezüge, auf die aber Einkünfte aus neuen Jobs angerechnet werden. Eine Alternative dazu gebe es verfassungsrechtlich nicht, argumentierte Schreiber. »Der Versuch, den Betroffenen zu unterstellen, sie wollten Vorteile mitnehmen, finde ich unangemessen und unanständig.«
Andere Redner vertraten ähnliche Standpunkte. Heiko Melzner (CDU) nannte die Sonderregelung die »demokratietheoretisch einzige Möglichkeit«. Silke Gebel (Grüne) sprach von einem »minimalinvasiven Vorschlag«, der »Rechtssicherheit« schaffe. Sie mahnte aber an, mittelfristig nach einer dauerhaften Lösung zu suchen. Nur Kristin Brinker (AfD) äußerte sich kritisch. Dass die abgewählten Bezirksamtsmitglieder weiter Bezüge erhalten, bezeichnete sie als »Demokratieverachtung und Steuergeldverschwendung«. »Wer hier kritisiert, muss einen besseren und rechtssicheren Vorschlag machen können«, hielt Steffen Zillich (Linke) entgegen.
In zahlreichen Bezirken haben Fraktionen bereits Zählgemeinschaften gebildet, um neue Bezirksämter zu wählen. In Spandau und Reinickendorf haben CDU und SPD Absprachen getroffen, einen CDU-Bürgermeister zu wählen. Eine ähnliche Einigung zeichnet sich in Marzahn-Hellersdorf ab, womit Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) sein Amt verlieren dürfte. In Mitte und Tempelhof-Schöneberg stehen die Zeichen darauf, dass die grün-roten Zählgemeinschaften die Linkspartei in das Bündnis aufnehmen, um die grünen Bezirksbürgermeister Stefanie Remlinger in Mitte und Jörn Oltmann in Tempelhof-Schöneberg im Amt zu halten.
Nur kleinere Verschiebungen in den Bezirksämtern wird es voraussichtlich in Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick geben, wo die rot-rot-grünen Zählgemeinschaften ihre Mehrheiten halten konnten. In Steglitz-Zehlendorf sieht es nach einer Fortführung der Ampel-Zählgemeinschaft aus, die Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) im Amt halten würde. Offen sind die Rennen in Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf, wo sich noch keine neuen Zählgemeinschaften gefunden haben.
Ärgerlich ist die Neuordnung für die Linkspartei, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft in keinem Bezirk mehr den Bezirksbürgermeisterposten stellen wird. Die Partei verliert damit ihre zwei profiliertesten Kommunalpolitiker. In Pankow hat sich eine Zählgemeinschaft aus Grünen, CDU und FDP gebildet, die nach den Osterferien eine Grünen-Kandidatin zur Bezirksbürgermeisterin wählen will. Dem »Tagesspiegel« sagte Nicolas Scharioth, Co-Vorsitzender der Pankower Grünen: »Wir wollen ernsthaft daran arbeiten, Jamaika in Pankow zu ermöglichen.« Linke-Bürgermeister Sören Benn hat bereits erklärt, dass er davon ausgehe, sein Amt bald zu verlieren.
Auch in Lichtenberg finden sich neue politische Mehrheiten, die die Linkspartei außen vor lassen. CDU, SPD und Grüne haben eine Zählgemeinschaft gebildet, die zeitnah Martin Schaefer (CDU) zum Bezirksbürgermeister wählen will. Der aktuelle Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) hat bereits angekündigt, seine Ämter niederzulegen. Den Posten des Vizebürgermeisters, der der Partei künftig zustehen wird, soll dann auch nicht er, sondern Camilla Schuler (Linke) besetzen. Aktuell ist sie Bezirksstadträtin für Familie, Jugend und Gesundheit.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.