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Dienst am Berliner Fußballvolk bei Berolina Mitte
BallHaus Ost: Ein Kiez-Verein im Wandel der Zeiten
Die Vereinskneipe von Berolina Mitte in der Kleinen Hamburger Straße wird kommenden Sonntag eine gewaltige Party erleben. Die beiden Wirte, die Brüder Ralle und Franky, gehen nach 26 Jahren Dienst am Fußballvolk in den verdienten Ruhestand. Das Bier wird fließen, der Grill wird glühen und bestimmt werden einige Tränen den Weg in die kokaingeschwängerte Ursuppe der Berliner Kanalisation finden.
Dinge ändern sich. War Bero zur Wendezeit im abgeranzten Berlin-Mitte ein typischer Ostberliner Arbeiterverein, kommen die Kids der Gegenwart nun größtenteils aus Familien, die sich Eigentumswohnungen oder teure Mieten in der Nähe der Auguststraße leisten können. Das bringt auch Gutes mit sich: Bero ist 2023 im Fußball der Frauen und Mädchen sehr stark.
Tommi ist seit den 90er Jahren bei Bero als Zuschauer und Biertrinker zu Gast. Damals kickten die Blau-Weißen auf einem Hartplatz, in einer Ecke stand eine improvisierte Bierluke, wo Platzwartin Trudchen regierte. Tommi: »Es war nicht nur der Fußball, es war eine Familie, man traf sich privat, hat gemeinsam gefeiert und getrauert, half sich gegenseitig aus. Franky hat irgendwann bei den alten Herren angefangen zu spielen und übernahm Ende der 90er die Kneipe mit seinem Bruder. Als es mir schlecht ging, wurde mir von beiden geholfen, das schweißt zusammen. Auf dem Bero waren alle gleich, egal wo sie herkamen und welchen Verein sie toll fanden.«
Franky war der findige Kopf, dem immer etwas einfiel. Ralle der stille Arbeiter, der gern in seinen nicht vorhandenen Bart brummelte und Bayern München toll fand. In den Nullerjahren entstand das heutige, liebevoll mit Fußballutensilien vollgestopfte Vereinsheim, wo Franky an den Wochenenden ab 9 Uhr die Pforte für die müden Eltern der kickenden Kinder öffnete und Kaffee verabreichte. Am Nachmittag stieß Ralle dazu, der häufig bis spät in die Nacht die Biertrinker betreute und selbst auch mal ein, höchstens zwei, na vielleicht mal drei, manche sagen vier Bierchen trank. Nach dem zweiten wurde Ralle ab und an gesellig und führte Regie im nächtlichen Bierkampf.
Die beiden Brüder ergänzten sich perfekt, Franky als performender Manager, Ralle als Mundschenk. Das ging viele Jahre gut, bis das Alter der beiden Recken und die Erfordernisse der neuen Generation im Vorstand des Vereins die große Veränderung einläuteten.
Ich schaute am Freitag bei den beiden rein, während auf dem Platz das von Franky mitbetreute Ü50-Team im Halbfinale des Berliner Pokals gegen Hertha ausschied. Knapp 50 alte Bero-Recken säumten den Platz, hielten sich an ihren Bierbechern fest und alterten in Würde. Berolina führte bis 15 Minuten vor Schluss mit 3:0, als ein Bero-Spieler seine Nerven nicht mehr unter Kontrolle halten konnte und mit Gelb-Rot vom Platz flog. Je oller, je dümmer, kommentierte ein Zuschauer die Niederlage im Siebenmeterschießen. Wie herrlich! Aufm Bero findet man unter den älteren Semestern die berühmte Berliner Schnauze in Reinkultur, deren Idiom im schnieken Mitte weitestgehend von den Sprachen der Welt abgelöst wurde.
Der Fernsehturm schimmerte, manch Mondkalb röhrte, Stoiker Ralle zapfte stumm Bier – das ist seine Art, die sich ändernden Dinge zu bewerten. Franky sagte lächelnd: »Ich durfte 26 Jahre auf dem geilsten Fußballplatz der Welt arbeiten. Mit Blick auf den Fernsehturm und die Sophienkirche. Mehr kann man im Leben nicht erreichen. Wir hatten die coolste Fußballlocation, aber jetzt ist es och jut.«
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