Der Konsum ist wegen der Inflation keine Konjunkturstütze mehr

Die Inflation lastet laut einer Prognose des gewerkschaftsnahen IMK auch in diesem Jahr auf den Menschen und ihren Konsumausgaben

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Angesichts der jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten und der lahmenden Konjunktur warnen gewerkschaftsnahe Ökonom*innen vor weiteren Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB). »Die Wirtschaft weiter zu dämpfen, um das Inflationsziel ein halbes Jahr früher zu erreichen, wäre angesichts der Risiken für die Konjunktur, die Finanzmarktstabilität und die klimapolitisch erforderlichen Investitionen, die mit einer weiteren geldpolitischen Straffung einhergingen, nicht zu rechtfertigen«, heißt es im jüngsten Konjunkturbericht des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Darin gehen die Forschenden von einer Stagnation der Wirtschaft in diesem Jahr aus. Kommendes Jahr wird sie ihnen zufolge um 1,2 Prozent wachsen.

Damit ist offenbar die befürchtete, große Konjunkturkrise im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgeblieben. Denn im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaftsleistung noch um 1,8 Prozent und auch im weiteren Verlauf dieses Jahres wird laut dem IMK die Wirtschaft nach einer leichten Rezession im Winterhalbjahr 2022/23 wieder wachsen. Gegenüber seiner vorherigen Prognose hebt das IMK seine Erwartungen für dieses Jahr leicht an. Im Dezember war es noch von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,3 Prozent ausgegangen.

Als Grund für den positiveren Konjunkturverlauf nennt das IMK neben Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung wie die Energiepreisbremse vor allem die aufgrund des milden Winters, gut gefüllter Gasspeicher und der Lieferung großer Mengen von Flüssiggas seit Jahresbeginn deutlich gesunkenen Energiepreise. »Damit haben sich die Energiepreisschocks des vergangenen Jahres weitestgehend zurückgebildet, was sich nun Monat für Monat in den Inflationsraten widerspiegeln wird«, schreibt das IMK in seiner Konjunkturprognose.

Die Preise stiegen diesen Monat voraussichtlich um 7,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag anhand von vorläufigen Schätzungen mitteilte. Im Januar und Februar waren es noch 8,7 Prozent. »Die Inflationsrate in Deutschland ist im März deutlich gefallen«, erklärte IMK-Direktor Sebastian Dullien. »Das dürfte der erste Schritt eines nachhaltigen Abwärtstrends bei den Teuerungsraten in Deutschland sein.« In den kommenden Monaten sei nun mit einem weiteren, kontinuierlichen Rückgang der Inflationsraten zu rechnen. Das IMK geht davon aus, dass die Inflationsrate dieses Jahr im Jahresschnitt zwar mit 5,3 Prozent noch hoch bleiben, aber bereits deutlich niedriger als der Wert von 6,9 Prozent im vergangenen Jahr sein wird. Im kommenden Jahr wird sie demnach weiter zurückgehen und mit 2,4 Prozent deutlich näher an dem EZB-Inflationsziel von zwei Prozent liegen.

Dennoch werden die Menschen auch in diesem Jahr die hohe Inflation in Form von Kaufkraftverlusten spüren. Denn die Löhne werden auch dieses Jahr weniger schnell wachsen als die Preise und die Beschäftigten dadurch Reallohnverluste erleiden. Dabei sanken die Reallöhne aufgrund der Corona-Pandemie und der Inflation bereits in den vergangenen drei Jahren. Letztes Jahr war das Minus mit 3,1 Prozent so hoch wie noch nie seit Beginn der Reallohn-Erhebung durch das Statistische Bundesamt im Jahr 2008. Erst im nächsten Jahr dürften die Arbeitnehmerentgelte wieder stärker als die Preise steigen und sich die Reallöhne wieder erholen.

Die Folge ist, dass die privaten Konsumausgaben dieses Jahr laut den gewerkschaftsnahen Ökonom*innen mit einem Prozent real deutlich zurückgehen werden. Dabei gaben die Menschen bereits in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres nach Abzug der Inflationsrate unterm Strich weniger Geld aus. Dies betraf laut dem IMK insbesondere die Bereiche Freizeit, Unterhaltung und
Kultur sowie die Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen, die sich zuvor besonders dynamisch von den Einbrüchen in der Corona-Pandemie erholt hatten. »Aber auch die realen Umsätze im Einzelhandel gingen deutlich zurück«, so die Forschenden.

Dies hat zur Folge, dass der private Konsum anders als meist in der Vergangenheit die Konjunktur in diesem Jahr nicht stützen, sondern negative Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung haben wird. Das IMK schätzt, dass die Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte das Bruttoinlandsprodukt um 0,6 Prozentpunkte nach unten drücken wird. Eine ebenso große Belastung für die Konjunktur ist dieses Jahr der Einbruch in der Baubranche. Diese leidet neben gestiegenen Kosten vor allem an den gestiegenen Zinsen.

Denn die EZB wie auch die Fed haben im Kampf gegen ihre Leitzinsen zuletzt mehrfach erhöht. Neben dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank brachte dies vor allem US-Regionalbanken unter Druck, die in Anleihen investierten, die auf Grund der Zinswende an Wert verloren. Eine neue Finanzkrise wie 2007/08 sieht man beim IMK jedoch nicht nahen – auch, weil die Notenbanken bereits reagierten. So attestiert das IMK der EZB einen »überfälligen Kurswechsel«, weil sie als Reaktion auf die Finanzmarktturbulenzen keine weiteren Zinserhöhungen mehr angekündigt hat.

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