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Staatsbesuch von König Charles III.: Campino, der ewige Hofnarr
Ingar Solty über die Begegnung des britischen Königs mit Campino beim Bankett im Bundespräsidialamt und den Auftritt des royalen Gastes im Berliner Parlament
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, hat jüngst – allerdings vergeblich – vorgeschlagen, anstelle seiner Hoheit Charles III. und Frau Gemahlin den unkaputtbaren Rolling-Stones-Gitarristen Keith Richards in den Bundestag einzuladen. Dies sei doch eine viel bessere Symbolik, die deutsche Verbundenheit zur britischen Bevölkerung zu untermauern, als – zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte – deutsche Parlamentarier einen nie durch Wahlen bestätigten Sprössling aus einem Königshaus hofieren zu lassen, dessen Reichtum auf Sklaverei und Ausbeutung beruhe. Und das heute mit Entschädigungsforderungen aus den ehemaligen Kolonien konfrontiert sei.
Das war natürlich wie auch die Kritik von Linke-Chef Martin Schirdewan und seinem Stellvertreter Ateş Gürpınar an dem Staatsbesuch seiner Durchlaucht ganz schön unverfroren. Der Gerechtigkeit halber mag anerkannt werden, dass nicht alle Linken so flegel- und frevelhaft auftraten und es an Ehrerbietung gegenüber dem »dynastischen Prinzip« fehlen ließen: Die Fraktionsvorsitzenden erschienen zum Bankett für den König im Schloss Bellevue, und während der Rede Seiner Majestät erhoben sich auch die anwesenden Abgeordneten der Linken im voll besetzten Hohen Haus von ihren Plätzen, um Charles die Ehre zu erweisen.
Aber natürlich ist es völlig intolerabel, uns allen das, was mindestens für die Boulevardpresse das Ereignis des Jahres sein dürfte, so madig machen zu wollen. Es hat ja auch nicht geklappt: Statt »I Can’t Get No Satisfaction« und »Street Fighting Man«, geschrieben damals für den kommunistischen Revolutionär Tariq Ali, gab es schon am Mittwochabend von Scharfschützen flankierten Kanonendonner zum Salut und James-Bond-Melodien vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr.
Die Kritiker des Staatsbesuchs seiner Majestät können dennoch frohlocken. SPD-Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat offenbar einen besonders sinistren Plan grenzenloser Respektlosigkeit gegenüber dem Blaublüter ausgeheckt, wie ihn nur »vaterlandslose Gesellen« ausbaldowern können. Denn er hatte zum Festbankett am Mittwochabend auch den ewigen Hofnarren Campino alias Andreas Frege eingeladen, der sich schon 2002 liebedienerisch um seinen Agenda-2010-Kanzler Gerhard Schröder sorgte, es sei ja so »schwer, so ein Volk mal zu reagieren«. Und der 2015 in CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in Griechenland gerade Demokratie und Menschenrechte schleifte und alle sozialdemokratischen Alternativen zum neoliberalen Europa knechtete, »die Retterin Europas« und in Deutschland den »Klassenprimus« der europäischen »Wertegemeinschaft« erblickte.
Genau dieser Rebell mit engen Verbindungen ins Kanzleramt würde, wie er öffentlich bekannte, heute natürlich nicht mehr den Wehrdienst verweigern. Damit reiht er sich neben die vielen alten weißen Männer aus Kultur und Journalismus ein, die heute, statt zu verweigern, »kämpfen« würden. Wohl weil sie wissen, dass sie selbst nie in die Verlegenheit kämen, das tatsächlich tun zu müssen, während Hunderttausende Soldaten in Russland und in der Ukraine gar nicht die Wahl der Verweigerung haben und rekordverdächtig viele Bundeswehrsoldaten und Reservisten seit Beginn des Kriegs in der Ukraine versuchen, den Dienst zu quittieren.
Auch in Sachen Hochrüstung Deutschlands zum Land mit dem – nach den USA und China – drittgrößten Rüstungshaushalt der Welt ist Verlass auf die tote Hose: »Wir«, so Campino, könnten »es uns nicht leisten, völlig wehrlos gegenüber Despoten zu sein«. Waffenfähige Drohnen, atomare Teilhabe, neue Kampfflugzeuge und Co. seien eben die Voraussetzung, dass Männer wie Putin »auch Respekt vor der Gegenseite« hätten. Dabei hat der bekennende Grünen-Wähler Campino natürlich auch den Habeck-Zerknirschungssound drauf: Es sei natürlich eine »dramatische Tragödie, denn alle diese Gelder, die wir in Zukunft für Rüstung ausgeben werden, könnten wir verdammt nochmal« – da klingt er noch durch, der »Punk« – »für unser Sozialsystem, Kitas, Schulen, öffentliche Infrastruktur und nicht zuletzt den Kampf gegen Klimawandel gebrauchen«.
Nun zelebrieren und fordern all die »Früher war ich auch mal ein bisschen gegenkulturell und habe mich über spießige Industriearbeiter mokiert«-Herren, in deren Kopfkino heute wohl noch einmal die alten gewaltromantischen Ritterfilme und Western aus ihrer Kindheit in den 1960er und 1970er Jahren laufen, eine Mannhaftigkeit und Härte, die sie noch vor gut einem Jahr als unappetitlich, weil an den prügelnden Wehrmachtspapa (oder im Fall Campino -Onkel) erinnernd, rigoros von sich gewiesen hätten. Und sie merken nicht einmal, dass sie heute kaum anders klingen als der von ihnen selbstverständlich – denn Leute wie Campino gefallen sich stets in der bislang noch günstig zu habenden, ja Tantiemen einbringenden Pose »gegen rechts« – abgelehnte Faschist Björn Höcke, der 2015 in Erfurt sagte: »Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!« Damals wurde zurecht über Höckes überholte Geschlechterrollenbilder, toxische Männlichkeit und den Irrsinn von Wehrhaftigkeit doziert, heute ist diese Art zu reden Mainstream im neuen Ampel-Deutschland.
Kurz: Campino, den Haus-und Hofsänger der bestehenden Macht- und Eigentumsverhältnisse und Provinzdeutschlands Antwort auf Bono, den Barden des globalen Kapitals, zum Bankett einzuladen, war nur folgerichtig. Ihn dort zu Ehren befrackt neben Altbundespräsident Joachim Gauck und CDU-Chef Friedrich Merz aufzureihen, passt nicht nur hervorragend zu dieser Regierung, sondern ist zugleich an Respektlosigkeit gegenüber seiner Majestät kaum zu überbieten. Und damit ein erstaunlich subversives Manöver, das auch den Respekt ewig nörgelnder Linker verdient hätte.
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