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Über Wasser: Badeglück in Namibia
Im Bauch des Wals von Gross Barmen
Ein Wal mit weiß getünchten Rippen, durchlässiger Haut und einem riesigen gläsernen Maul. In die Scheiben sind gefärbte Gläser eingelassen, in die gekachelten Wandflächen bunte Miniaturen – Blumen und Ranken. Die Piktogramme an den Eingängen zu Dusche und Umkleide bilden weiße Silhouetten auf blauem Grund. Männer mit Anzug und Hut, Frauen in Kleidern, feingliedrig wie Scherenschnitte.
Dreieinhalb Wochen Rundreise und immer diese Sehnsucht nach Wasser. 2009 waren wir im Sommer, was in Namibia Winterzeit bedeutet, mit unserem Sohn per Mietauto 4783 Kilometer unterwegs – und ich konnte nur eine Handvoll mal schwimmen! In der ersten Pension in Richtung Kalahari weigerte ich mich, in den mit einer dünnen Eisschicht bedeckten Pool zu springen. Meine beiden Männer sprangen und wetteten, wer es länger darin aushalten würde – der Kleine gewann und durfte ohne die sonst übliche Auslosung mit ins Doppelbett.
Der nächste Pool wartete mit traumhafter Aussicht und milden Temperaturen in einer Lodge am Fischfluss-Canon auf uns, inmitten roter Felsen, hoch über der Wüste. Kommentar unseres zehnjährigen Sohnes: »Das ist das beste Hotel in meinem Leben!« Wir zeichneten, suchten die unfassbare Weite abzubilden, später die Wildpferde, das vom Sand verschluckte Diamantengräber-Dorf, deutsche Friedhöfe und die Kleinstadt Lüderitz mit ihren Schneedächern.
Am dortigen Agate-Beach war das Baden wegen der Sturmböen verboten, der Strand übersät mit Schneckenhäusern und Muscheln, auf den Dünen lagen sandgeschliffene Achate. Das nächste Bad erwartete mich in Swakopmund, einige Tage und Wüsten später, kalte Atlantikgischt am geschützten Stadtstrand, mein Sohn und ich stürmten für Minuten hinein. An der Skelettküste gelangten wir in viel Nebel und eine Robbenkolonie, im Etosha-Park badeten nur die Elefanten, Zebras und Giraffen.
Als ich aufgegeben hatte und mich nur noch an allen wundersamen Begegnungen und Ausblicken erfreute, stießen wir kurz vor Ende unserer Rundreise etwa einhundert Kilometer entfernt der Hauptstadt Windhoek auf das Thermalbad Gross Barmen. Die Anlage von 1975 war in der Nähe einer ehemaligen Missionsstation (nach dem Hauptsitz der Rheinischen Mission in Barmen bei Wuppertal benannt) um eine heiße Mineralquelle erbaut worden und wirkte inzwischen vernachlässigt. Kurz nach unserem Besuch sollte das Bad vier Jahre lang aufwendig saniert werden. Bis dahin gehörten die Halle, das eiskalte Außenbecken und der anschließende See ganze drei Stunden lang uns ganz allein.
Das Thermalwasser im Hallenbad ist knapp 40 Grad warm, ich steige jauchzend hinein. Nachströmendes Wasser schiebt mich in Richtung Panoramafenster. Über mir Lampenkugelnester und die Rippen der gewölbten Decke, ringsum beschlagenes Glas, dahinter Palmen, blauer Himmel. Ich träume mich bis ans Ende des Beckens in ein ruhiges Meer. Bis die Zehen den Rand berühren, ich die Augen öffne und alle Lampen mich winzig widerspiegeln, da unten im Bauch des Wals. Ich stoße mich ab und schwinge die Arme. Eine Bahn Rücken, eine Brust. Treiben. Schwimmen. Treiben. Das Plätschern der tieferliegenden Quelle verankert mich. Ich drifte wieder bis an das Glas und die Sonne, höre meinen Sohn ganz nah ein Lied summen, sehe meinen Freund draußen spazieren und steige in die in blaugekachelte Quellengrotte. Auf der Sitzbank mit Wasserfall im Rücken schauen mein Sohn und ich auf ein Chamäleon hinter der Scheibe, das mit bedächtigen Schritten um einen handtellergroßen vertrockneten Käfer schreitet.
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