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Brief- und Paketbranche: Miese Jobs für schlechtes Geld
Seit Jahren hinken die Löhne in der Brief- und Paketbranche der Inflation hinterher
Nun erhalten die Beschäftigten bei der Deutschen Post ab April 2024 monatlich 340 Euro mehr Gehalt sowie steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichssonderzahlung in den nächsten zwei Jahren von insgesamt 3000 Euro. Laut der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bedeutet dies in den unteren drei Entgeltgruppen, in denen rund 90 Prozent der Beschäftigten eingruppiert sind, ein Lohnplus von 16,1 bis elf Prozent. Dennoch war die Zustimmung zur Annahme des Tarifvertrages eher mau. Lediglich 61,7 Prozent der Befragten stimmten bei der Urabstimmung dafür, wie Verdi vergangenen Freitag bekanntgab.
Diese relative Unzufriedenheit wird vermutlich nicht allein an der derzeit hohen Inflationsrate von zuletzt 7,4 Prozent im März liegen, die ein großes Loch in die Lohntüte frisst und nicht nur in der Brief- und Paketbranche Forderungen nach kräftigen Lohnsteigerungen laut werden lässt. Denn die Löhne in der Briefpost- sowie Kurier, Express- und Paketbranche (KEP) hinken schon jahrelang der Inflation hinterher, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linke-Fraktion im Bundestag zeigt, die »nd.derTag« vorliegt. Demnach stieg der Stundenlohn für Vollzeitbeschäftigte in der Briefpost- und KEP-Branche von 2010 bis 2021 nominal um 5,5 Prozent. Zieht man die Inflation in der Zeit ab, dann steht am Ende ein Kaufkraftverlust von 10,9 Prozent.
Im Schnitt lag der Stundenlohn im Jahr 2021 für Vollzeitbeschäftigte in der Branche bei 17,80 Euro ohne Sonderzahlungen. Sie verdienten damit weniger als drei Viertel (72,5 Prozent) des durchschnittlichen Bruttostundenentgelts von Vollzeitbeschäftigten in der Gesamtwirtschaft. Teilzeitbeschäftigte, die knapp ein Drittel der rund 302 000 Erwerbstätigen in der Briefpost- und KEP-Branche ausmachen, verdienten in der Regel noch weniger. Für sie lag der Stundenlohn im Schnitt bei 15,17 Euro ohne Sonderzahlungen.
Jede*r sechste Beschäftigte ist zudem Minijober*in. Sie machen den Großteil der Aufstocker*innen in der Branche aus. Von den über 11000 Beschäftigten in der Briefpost- und KEP-Branche, deren Gehalt nicht zum Leben reicht und die dewegen zum Amt müssen, waren zuletzt 8200 Minijobber*innen.
»Die Privatisierung und Deregulierung des Postmarkts hat nicht nur zu einer wachsenden Unzufriedenheit bei den Postkundinnen und Postkunden geführt, sondern auch zu spürbaren Reallohnverlusten bei gleichzeitig steigendem Arbeitsdruck – und dabei ist die dramatische Preissteigerung infolge des Ukraine-Krieges noch gar nicht berücksichtigt«, kommentiert der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linken im Bundetag, Pascal Meiser, die Zahlen. Auch in der Paketbranche, in der die Löhne und Arbeitsbedingungen noch deutlich schlechter seien, brauche es nicht mehr Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten, sondern eine schärfere Regulierung und verbindliche Mindeststandards. »So muss endlich Schluss gemacht werden mit zwielichtigen Subunternehmerketten, die den großen Paketunternehmen ermöglichen, die Löhne immer weiter zu drücken«, fordert Meiser und übernimmt damit eine Forderung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
So setzt in der KEP-Branche lediglich der DHL-Konzern, zu dem die Deutsche Post gehört, komplett auf eigene Zusteller*innen. Die Konkurrenten Amazon, Hermes und GLS haben ihre Zusteller*innen komplett über Subunternehmen angestellt. Wie Fallbeispiele zeigen, die das DGB-Beratungsnetzwerk Faire Mobilität zusammengetragen hat, kommt es in diesen Unternehmen mitunter auch zu massiven Verstößen des Arbeitsrechts wie überlange Arbeitszeiten, vorenthaltene Lohnzahlungen und ungerechtfertigte Kündigungen.
Auch jenseits dieser Rechtsverstöße ist die Branche nicht nur von miesen Löhnen, sondern auch von miesen Arbeitsbedingungen geprägt. Bis zu 300 Sendungen müssen die Zusteller*innen laut Verdi an einem Tag ausliefern. Teilweise sind es schwere Pakete bis zu 70 Kilogramm, die nicht besonders gekennzeichnet sind, und häufig fehlt die entsprechende Ausrüstung wie eine Sackkarre.
Die Dienstleistungsgewerkschaft fordert deshalb ein Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmer*innenrechten in der Paketbranche. Der Kernpunkt dieses Gesetzes soll ein Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal zum Transport und zur Auslieferung bei Paketdienstleistern sein, was die Subunternehmerketten unmöglich machen würde. Zudem fordert Verdi zum Schutz der Zusteller*innen eine Kennzeichnung schwerer Pakete sowie eine Gewichtsbegrenzung von 20 Kilogramm für Paketsendungen im Ein-Personen-Handling.
»Schließlich darf angesichts der Zustände auf den Postmärkten auch eine Rücküberführung der gesamten Postzustellung in die öffentliche Hand kein Tabu mehr sein«, geht Linke-Politiker Meiser indes noch ein Stück weiter. Denn bis zu ihrer Privatisierung Mitte der 1990er Jahre war die Deutsche Post noch in öffentlicher Hand. Ihr Monopol auf Briefsendungen endete erst im Jahr 2007.
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