Finnland: Petteri Orpo schlägt Sanna Marin

Nach den Wahlen in Finnland räumt die sozialdemokratische Ministerpräsidentin ihre Niederlage ein

  • Robert Stark, Helsinki
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war ein Wahlkrimi wie er im Buche steht – mehrere Male wechselte im Laufe des Sonntagabends auf dem Reiter des finnischen Rundfunks YLE die Position der stärksten Partei. Wie von den Wahlprognosen erwartet, wurde es ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Sanna Marins Sozialdemokraten, der konservativen Sammlungspartei von Petteri Orpo und den nationalistischen Wahren Finnen unter Riikka Purra. Am Ende konnte sich Orpo knapp durchsetzen und wird mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Die finnischen Sozialdemokraten konnten mit dem Marin-Bonus drei Sitze hinzugewinnen, es reichte aber dennoch nicht für eine einfache Mehrheit. Ein kompletter Rechtsruck durch einen Wahlsieg der nationalistischen Wahren Finnen verwirklichte sich nicht, dennoch konnte die Partei ihr bestes Ergebnis jemals erzielen. Jeder fünfte Wähler gab ihnen die Stimme, in sechs der dreizehn Wahlkreise wurde die Partei stärkste Kraft.

Der Wahlkampf hatte sich vor allem um die Frage der Staatsverschuldung gedreht. Der kränkelnde öffentliche Gesundheitssystem, das kriselnde Schulsystem oder der Klimaschutz waren als eigentlich drängende Themen von der Bildfläche verdrängt. Insbesondere Orpos Sammlungspartei, Schwesterpartei der CDU in der EVP, hatte sich als Kraft präsentiert, die den finnischen Staatshaushalt durch massive Kürzungen wieder in Einklang zu bringen vermag. Die Staatsverschuldung war im Jahr 2022 auf 71 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen – in der Corona-Pandemie wurden Schulden aufgenommen und auch die europäische Energiekrise hatte ihren Tribut gefordert. Bürokraten aus dem Finanzministerium forderten in einem Bericht schon im Dezember vergangenen Jahres massive Kürzungen. In der kommenden Legislaturperiode müssten sechs Milliarden Euro eingespart werden, eine gewaltige Summe angesichts des Staatshaushaltes von etwas über 83 Milliarden Euro. Der Bericht setzte mehr als alles andere die Themenlage im Wahlkampf.

Besonders bitter war der Abend für die Linke. Im neuen Parlament werden nur noch elf Abgeordnete für die Linke Allianz ›Vasemmistoliitto‹ sitzen. Die Parteivorsitzende Li Andersson zeigte sich enttäuscht und unterstrich: »Geringverdienende haben genau so ein Wahlergebnis gefürchtet. Sie sind jetzt schon besorgt, wie die Kürzungen sie treffen werden.« Eine Erklärung für das schlechte Abschneiden ist auch das taktische Wählen – um einen rechten Sieg zu verhindern, hatten viele ehemalige Grüne- oder Linke-Wähler ihre Stimme den Sozialdemokraten gegeben. Im finnischen Wahlsystem mit den 13 Wahldistrikten und damit 13 parallelen Wahlen hatte dies aber nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Während Grüne und Linke zusammen zwölf Sitze einbüßten, gewann Marins Partei nur drei Sitze hinzu.

Für die Regierungsbildung gibt es jetzt zwei verschiedene Szenarien. Einerseits könnte Orpo auf die Wiederholung einer rechten Regierung von vor vier Jahren setzen: Die Wahren Finnen und die agrarische Zentrumspartei könnten hierbei die Mehrheiten liefern. Ob sich die Zentrumspartei nach zwei verlorenen Parlamentswahlen allerdings wieder für eine Regierungsbeteiligung begeistern lässt, ist unklar. Eine zweite Möglichkeit wäre eine ›Blau-Rote Koalition‹ aus Konservativen und Sozialdemokraten, ohne die nationalistischen Wahren Finnen. Ob die Sammlungspartei das anstrebt, ist fraglich, denn Steuergeschenke für Besserverdienende oder Kürzungen im Sozialsektor wären mit den Nationalisten wesentlich leichter durchzusetzen.

Sanna Marin könnte als Oppositionsführerin in der finnischen Politik bleiben. Ihre internationale Bekanntheit und Beliebtheit böten allerdings auch andere Möglichkeiten, zum Beispiel wäre eine Position in der EU oder anderen internationalen Organisationen denkbar und wird bereits in den Medien diskutiert. Unterdessen wurde bekannt, dass Finnland am Dienstag neues Mitgliedsland der Nato wird. »Morgen werden wir Finnland als 31. Mitglied begrüßen«, sagte der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, am Montag in Brüssel. Am Dienstagnachmittag werde die finnische Flagge am Nato-Hauptquartier in Brüssel gehisst. »Das ist wirklich ein historischer Tag.« Im Wahlkampf hatte die Sicherheitspolitik kaum eine Rolle gespielt – zu einhellig ist die Einschätzung der Gesellschaft hierbei. Im Kleinen lassen sich dennoch auch parlamentarische Veränderungen sehen – langjährige Friedensfreude, wie der linke Sozialdemokrat Erkki Tuomioja werden dem neuen Parlament nicht mehr angehören. Auf der anderen Seite sind mehr Abgeordnete mit militärischem Hintergrund, wie der Generalmajor a. D. Pekka Toveri (Sammlungspartei) im neuen Parlament vertreten.

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