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Nach Aus im DFB-Pokal: FC Bayern stellt die Mentalitätsfrage
Für die Münchner stehen in Bundesliga und Champions League die nächsten Titel auf dem Spiel
Dem freien Mittwoch blickte Thomas Müller am späten Dienstagabend ziemlich freudlos entgegen, fast schon mit Sorge nach dem Ende der Triple-Träume. Es ging gerade um Jamal Musialas Handspiel, das am Ende einer Fehlerkette in der Nachspielzeit zum berechtigten Elfmeter für den SC Freiburg geführt hatte und damit zum Pokal-Aus des FC Bayern im Viertelfinale. Und das drei Tage nach dem überzeugenden 4:2-Auftaktsieg gegen Borussia Dortmund in der Bundesliga mit dem neuen Trainer Thomas Tuchel.
Nun versicherte Müller seine Unterstützung für den 20-jährigen Jamal Musiala, der seine Arme im Strafraum ungeschickt hochgerissen hatte und prompt von Nicolas Höfler angeschossen worden war. »Er muss natürlich die Nacht überstehen wie wir alle«, sagte der 33-jährige Müller über den jungen Kollegen und die Mannschaft. Und befürchtete: »Eine absolut beschissene Nacht steht vor der Tür, morgen wird’s ähnlich sein. Man braucht schon bei so einem Nackenschlag, wo einem was weggenommen wird.«
Es war nach der unglücklich zustande gekommenen 1:2 (1:1)-Niederlage gegen Freiburg eine mehrheitsfähige Sichtweise, die Müller mit Entsetzen vortrug. Die Bayern waren durch Dayot Upamecanos Kopfballtor in der 19. Minute ja in Führung gegangen und hatten nichts zugelassen. Nur Höflers Distanzschüsse – von denen der eine acht Minuten später unhaltbar zum 1:1 ins Netz flog und der andere an Musialas Arme, als sich alle schon auf eine Verlängerung eingestellt hatten. Lucas Höler verwandelte den Strafstoß in der Nachspielzeit souverän, bescherte den Freiburgern den ersten Sieg im 24. Spiel in München und ein Übermaß an Glücksgefühlen.
Andererseits wussten der erfahrene Müller und seine Kollegen auch, dass sie sich vor allem selbst um die Chance gebracht hatten, ins Halbfinale einzuziehen und damit nur noch einen Schritt entfernt zu sein vom fest eingeplanten Pokalfinale in Berlin. Stattdessen blicke man schon wieder auf einen »Scherbenhaufen«, klagte Müller. Ähnlich wie in den vergangenen beiden Spielzeiten, als sich die Bayern jeweils in der zweiten Runde aus dem Wettbewerb verabschiedet hatten. Zunächst mit Trainer Hansi Flick beim Zweitligisten Holstein Kiel im Elfmeterschießen, danach mit Julian Nagelsmann und einer 0:5-Klatsche bei Borussia Mönchengladbach.
Nun hatte es sie erneut erwischt, diesmal mit Thomas Tuchel in dessen zweitem Spiel auf der Münchner Bank – und das eine Woche vor dem Viertelfinale der Champions League bei Manchester City. »Jetzt sind wir emotional auf dem Boden der Tatsachen oder noch ein Stück weiter unten angekommen«, sagte Müller. Sein Kollege Leon Goretzka haderte, Freiburg habe »ohne eine Chance zwei Tore geschossen, und das letzte so spät, dass wir es nicht mehr reparieren konnten.« Und Joshua Kimmich schimpfte: »Am Ende des Tages kotzt mich das einfach brutal an, je mehr Titel wir verspielen.« Er erkannte »einen Tick zu wenig Leidenschaft, ein bisschen zu wenig Emotionen« und forderte: »Wir müssen diese Wut und Säuernis in Leidenschaft und Wille umsetzen. Das muss jetzt das Ziel sein, dass wir ein bisschen emotionaler spielen.«
Es war nach dem sehr einseitigen Spiel und bei allem verständlichen Ärger der Bayern über die Gemeinheiten, die der Fußball bereithalten kann, schon auch angemessen, dass sie sich selbst und ihre Mentalität hinterfragen. Trotz großer Dominanz, Kontrolle und viel Ballbesitz wie von Thomas Tuchel gewünscht war es ihnen ja zu selten gelungen, ihre Angriffe so zuzuspitzen, dass sie den verdienten Ertrag erwirtschaften.
Oft fehlte es in den letzten Aktionen an Schärfe und Entschlossenheit gegen die kompakte Defensive der Freiburger. Es sah oft aus, als wüssten die Münchner am Ende ihrer Vorträge nicht, wie sie diese vollenden sollen. »Die Interpretationsbandbreite ist sehr weit«, befand Kapitän Thomas Müller. Sie reiche vom fehlenden Quäntchen Glück bis hin zu Unvermögen. »Das Ding zu zwingen, wenn es eng ist und der Gegner tief verteidigt, das hat gefehlt«, sagte Tuchel, »eine Wucht und Gier gemeinschaftlich zu entwickeln und dauerhaft zu halten, das ist ein bisschen das Thema.«
In diesem Zuge kam auch die vertraute Frage auf, ob ein Stürmer wie Robert Lewandowski fehle, der vor seinem Abgang im vergangenen Sommer nach Barcelona für die Bayern in derartigen Spielen mit seinen Toren häufig den Unterschied gemacht hatte. Hasan Salihamidzic wollte diese These schon deshalb nicht bejahen, weil er seine Kaderarchitektur damit selbst kritisiert hätte. Daran liege es nicht und damit auch nicht an Lewandowskis Nachfolger Eric Maxim Choupo-Moting, sagte der Sportvorstand. Vielmehr habe man oft Phasen, in denen es »ein bisschen dahinplätschert« und man nicht »die Energie« und »die Schlagzahl« hochhalte.
Nichtsdestotrotz stellte Salihamidzic eine Verstärkung für den Angriff im kommenden Sommer in Aussicht, allein schon, weil Choupo-Moting bereits 34 Jahre alt ist. »Wir werden uns natürlich hinsetzen und schauen, was wir auf dem Transfermarkt machen«, sagte er. Vorerst muss es aber die aktuelle Belegschaft richten. An diesem Donnerstag nimmt sie nach ihrem freien Trauertag ihre Vorbereitung auf. Am Sonnabend geht es am 27. Spieltag der Bundesliga ja darum, die Tabellenführung vor Borussia Dortmund zu behaupten. Und zwar beim SC Freiburg.
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