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Atomkraft? Nein danke!
Deutschland schaltet endlich die letzten AKW ab. Ein riesiger Erfolg der Bewegung, die aber weiter kämpfen wird für eine nuklearfreie Welt
Am 15. April gehen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke (AKW) endlich vom Netz. Ein großartiger Erfolg der Anti-Atomkraft-Bewegung, die über Jahrzehnte auf die Gefahren der Hochrisikotechnologie hingewiesen hat. Und das trotz massiver Gegenwehr von Politik, Konzernen und Polizei. Nicht ohne Grund wurden die großen Demonstrationen auch als Schlachten bezeichnet.
Dabei führten die Protestierenden nie nur einen reinen Verhinderungskampf, sondern zeigten schon früh Alternativen in der Energieerzeugung und im gemeinsamen Miteinander auf. Das erste Windrad, Bürger*innenenergie, die ersten Photovoltaikanlagen und Bestrebungen, sparsamer mit Energie umzugehen, gehen auf diese Bewegung zurück. Vieles, was damals belächelt oder als Nische abgetan wurde, hat sich zu einer stabilen Säule der Energiewende entwickelt. Auch das ist ein Erfolg der Anti-AKW-Bewegung. Die Brücke zur aktuellen Klimabewegung ist wesentlich breiter als das gemeinsame Symbol des gelben X. Ob in Lützerath oder bei Protesten an den AKW – 100 Prozent Erneuerbar ist das Gebot der Stunde. Hier muss die Politik endlich den Schalter umlegen.
Die Freude über das Ende der Atomkraft ist aber nicht ungetrübt. Ein Blick ins Ausland lässt die Sorgenfalten größer werden: In der Ukraine stehen Panzer direkt an Atomkraftwerken und die Gefahr einer nuklearen Katastrophe ist nicht gebannt. Schon deshalb ist es grotesk, dass Frankreich und Polen auf Atomkraft setzen wollen. Das größte AKW Europas, das Kraftwerk Saporischschja in der Ukraine, musste mehrfach mit Notstromaggregaten versorgt werden. Ohne diese würde die Kühlung ausfallen und eine Kernschmelze drohen. Das AKW wurde im vergangen Herbst vom russischen Staatskonzern Rosatom illegal übernommen. Eine weitere Facette des schrecklichen Krieges, den Wladimir Putin führt – ein Energiekrieg.
Und damit nicht genug. In Deutschland werden weiter Brennelemente für den Export hergestellt. Die Fabrik im niedersächsischen Lingen wird von einem französischen Konzern betrieben. Jetzt steigt auch Rosatom dort ein. Gemeinsam wollen sie Brennelemente für russische Reaktoren in Osteuropa herstellen. Das steht in Widerspruch zum deutschen Atomausstieg. Im Atomsektor gibt es ohnehin keine EU-Sanktionen, zu wichtig ist Russland hier. Damit zahlen Deutschland und die EU weiter in die russische Kriegskasse ein. Es ist ein Skandal, dass diese Atomgeschäfte mit Putin noch ausgeweitet werden sollen. Die Politik muss dem einen Riegel vorschieben und auch die Urananreicherungsanlage in Gronau dichtmachen. Durch beide Anlagen bleibt Deutschland scheinheilig Teil der nuklearen Kette – und mitverantwortlich für das Risiko von Atomkatastrophen sowie für immer mehr Atommüll. Das Machtwort von Bundeskanzler Scholz zum Streckbetrieb war unnötig, an dieser Stelle wäre es eine überfällige Entscheidung.
Hinzukommt der ungeklärte Umgang mit den strahlenden Hinterlassenschaften in Deutschland. Laut dem zuständigen Unternehmen BGE ist erst 2100 mit einem »Endlager« zu rechnen. Diese Zeiträume zeigen, dass Atomkraft technisch und gesellschaftlich nicht beherrschbar ist und wir künftigen Generationen eine strahlende Hypothek hinterlassen. Der Müll wird noch Jahrzehnte in unsicheren, oberirdischen Betonhallen stehen. Die Politik duckt sich vor dem Problem weg, obwohl die Genehmigungen der Zwischenlager bald auslaufen. Es braucht endlich einen langfristigen Plan und einen echten Dialog mit den Betroffenen vor Ort.
Viele Probleme der Atomenergie bleiben also. Das AKW-Aus ist ein wichtiger Teilerfolg. Damit der Atomausstieg vollendet wird, bleibt die Bewegung wachsam. Die deutschen Atomkraftwerke sind zwar abgeschaltet, der Kampf für eine Plutonium- und CO2-freie Energieversorgung geht weiter.
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