- Sport
- Fußball der Frauen
Nach Babypause: Melanie Leupolz zurück im DFB-Team
Für Mütter ist es weiterhin schwer, Profifußball und Familie zu vereinen – Melanie Leupolz will zeigen, dass es funktionieren kann
Es war ein anspruchsvoller Parcours, den Fitnesstrainer Julius Balsmeier für die deutschen Fußballerinnen in den vergangenen Tagen auf dem Trainingsplatz am DFB-Campus in Frankfurt aufgebaut hatte. Manchmal stellte sich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg daneben und rief: »Sauber arbeiten!« Ihre Spielerinnen sprangen und hüpften konzentriert über Hütchen und Stangen, viele der 23 Kaderplätze für die WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) sind noch umkämpft. Und auf eine Kandidatin wird über die Ostertage besonders geschaut: Melanie Leupolz, die nach anderthalb Jahren das erste Mal wieder beim Nationalteam dabei ist. Nachdem die Mittelfeldspielerin im September vergangenen Jahres zum ersten Male Mutter wurde und bereits seit Ende Januar für den FC Chelsea wieder Pflichtspiele bestritt, war die Einladung fast folgerichtig. Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter, schwärmt von ihrer körperlichen Konstitution nach der Babypause.
»Sie wirkt sehr fit, sehr frisch, sehr fokussiert, mit sehr viel Freude«, bestätigte Voss-Tecklenburg und stellte der 28-Jährigen fest einen Einsatz im Härtetest gegen Brasilien in Nürnberg am Dienstagabend um 18 Uhr in Aussicht. Für den Abschied der aus freien Stücken sich aus dem Nationalteam zurückziehenden 31-jährigen Dzsenifer Marozsán sind bereits 28 500 Tickets verkauft; damit werden mehr Fans als im Schnitt zu den Heimspielen des 1. FC Nürnberg auf den Rängen sein. Die 28-jährige Leupolz hat wie Marozsán bei der EM 2013 und den Olympischen Spielen 2016 die letzten großen Titel für Deutschland gewonnen. Und sie möchte bei 75 Länderspielen noch keinen Schlussstrich ziehen.
Schnelles Comeback nach der Geburt
Sie hat hart dafür gekämpft, dass sie bei dem Highlight gegen Brasilien dabei sein kann. »Ganz wichtig war, dass ich bis kurz vor der Geburt relativ viel Sport gemacht habe«, sagte sie in einem DFB-Interview. Nach der Entbindung habe sich ihr Körper gut erholt: »Ich bin selbst erstaunt, dass es so schnell geklappt hat.« Vergangene Woche beim Vorstoß ins Halbfinale der Champions League gegen Olympique Lyon wurde sie zum Sinnbild der Entschlossenheit, weil sie blutüberströmt ausgewechselt werden musste. »Wenigstens passt die Farbe meiner Nägel«, schrieb sie danach in ihrer Instagram-Story. Nach Absprache mit den Chelsea-Ärzten wurde die Nase am Mittwoch in Frankfurt gerichtet und eine Maske angefertigt.
Voss-Tecklenburg wird sie im Max-Morlock-Stadion bringen, um ein Zeichen zu setzen, denn zu der DFB-Maßnahme hat Leupolz ihren erst sechs Monate alten Sohn mitgebracht: »Es ist natürlich spannend, darüber mit ihr zu sprechen. Nicht nur über fußballerische Themen, sondern wie sich ihr Leben dadurch verändert. Wie sich auch Rollen verändern, wie man dann die Dinge zusammenbekommt.« Keiner weiß besser als die Bundestrainerin, dass der Fußball der Frauen in Deutschland lange viel weniger Unterstützung leistete als die USA oder die skandinavischen Länder.
Schließlich war sie mit 25 ziemlich ungeplant die erste deutsche Nationalspielerin, die nach der Geburt ihrer Tochter Dina wieder die Schuhe schnürte – damals als Alleinerziehende fast ohne Rückendeckung. »Es gab Momente, in denen ich mich gefragt habe: ›Martina, kannst du das noch?‹«, sagte die 125-fache Nationalspielerin einmal. Ihre Tochter, die sie inzwischen schon zur Oma gemacht hat, durfte sie damals nicht zu den Lehrgängen mitnehmen. Deshalb kann die 55 Jahre alte Trainerin heute nicht nur Türöffnerin, sondern auch Ratgeberin sein.
Leupolz will Vorbild sein
Leupolz sagt: »Es ist sehr anstrengend, daraus muss man kein Geheimnis machen.« Bei der Kinderbetreuung in London werde vieles über den Klub geregelt, wenn sie dann den restlichen Tag mit ihrem Sohn verbringe, gebe ihr das »enorm viel Energie«. Chelsea hat ihren Vertrag bis 2026 verlängert, und Teammanagerin Emma Hayes, die selbst Kinder hat, steht voll hinter ihrer Nummer acht. Generell müsse noch mehr getan werden, findet die gebürtige Allgäuerin, »denn es gibt inzwischen immer mehr Fußballerinnen, die diesen Weg gehen«. Als Vorbild hat sie sich US-Ikone Alex Morgan auserkoren, die alles immer gut unter einen Hut gebracht hätte – zumindest wird das ihren fast zehn Millionen Followern bei Instagram vermittelt.
England-Legionärin Leupolz möchte anderen Profi-Sportlerinnen zeigen, »dass es möglich ist, Karriere und Familien vereinen zu können«. Noch vor nicht allzu langer Zeit gingen der Nationalmannschaft oft Topspielerinnen deswegen verloren: Fatmire Alushi war 2015 bei Paris St. Germain zum ersten Mal schwanger, hörte bald auf und hat mittlerweile vier Kinder. Célia Šašić beendete ihre Karriere nur wenige Monate nach ihrer Teamkollegin beim 1. FFC Frankfurt, um mehr Zeit fürs Privatleben zu haben, bekam 2016 ihre erste Tochter.
Das Thema kam erst wieder durch Torhüterin Almuth Schult auf, die nach der Geburt ihrer Zwillinge im Frühjahr 2020 hart für die Rückkehr arbeitete, aber Merle Frohms hatte ihr inzwischen den Stammplatz abgenommen. Voss-Tecklenburg ging streng nach dem Leistungsprinzip vor und setzte bei der EM 2022 auf Frohms. Schult ist inzwischen erneut schwanger.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.