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Neubau mit Sozialbindung: Ganz hoch hinaus in Marzahn
Baurecht für neues Quartier auf dem Berliner Knorr-Bremse-Areal nebst Wohnwolkenkratzer lässt auf sich warten
»Wenn man diese Vision von Kreativität hat, wird das ein gigantischer Standort«, schwärmt Florian Lanz. Der Geschäftsführer und Mitinhaber der Laborgh Investment GmbH spricht über sein Projekt für die Umnutzung der direkt am S-Bahnhof Marzahn gelegenen ehemaligen Produktionsflächen von Knorr-Bremse. Ein gemischtes Quartier mit rund 1000 Wohnungen, 370 Studierendenapartments, einem Gewerbehof sowie Büros soll hier entstehen. 11,2 Hektar misst das Areal, was knapp 16 Fußballfeldern entspricht.
Das Glanzstück des Geländes soll an der Nordspitze neben der Bahnstrecke entstehen: ein 146 Meter aufragendes Wohnhochhaus, in dem allein 300 Wohnungen Platz finden sollen. Von einem »neuen Wahrzeichen von Marzahn« und »Wohnungen mit teils atemberaubenden Ausblicken« wird auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum laufenden Bebauungsplanverfahren geschwärmt.
Tatsächlich ist derzeit noch kein Haus in Berlin so hoch. Allerdings hat bereits der Bau eines 175-Meter-Turms am Neuköllner Estrel-Hotel begonnen. Der Wohnturm Alexander Berlin Tower am Alexa-Einkaufszentrum in Mitte soll 150 Meter hoch werden. Doch ob und wann dieses Bauprojekt am Alexanderplatz vollendet wird, steht in den Sternen. Denn der 2019 begonnene Bau liegt bereits Jahre hinter dem Zeitplan.
Auf der Südseite des Marzahner Areals ist ein zweites Hochhaus geplant. In dem 72 Meter hohen Bau sollen die Studierendenapartments untergebracht werden. Ein etwas niedrigeres drittes Hochhaus soll schließlich die Nordwestkante des Entwicklungsprojekts begrenzen und rund 850 Büroarbeitsplätze beherbergen. Es gehört zum Gewerbeteil des Projekts, in dem auch ein mehrgeschossiger Handwerkshof entsteht. In dessen Mitte ist ein Kiezparkhaus mit 600 Pkw-Stellplätzen geplant, das auch als Zufahrt für die Materialversorgung der Betriebe dient.
Die infolge der Wiederholungswahl scheidende Marzahn-Hellersdorfer Baustadträtin Juliane Witt (Linke) lobt das vom Stararchitekturbüro David Chipperfield entwickelte Bebauungskonzept als »Entwurf, der von der Ästhetik mithalten kann mit Anlagen, die in Friedrichshain am Spreeufer entstehen«.
Diese Pläne möglich gemacht hatte eine Einigung des Senats im Jahr 2018. Die Stadtentwicklungsverwaltung unter der damaligen Senatorin Katrin Lompscher hatte sich gegen die damalige Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) durchgesetzt, die die Widmung des Areals als Gewerbefläche beibehalten wollte. Der Flächennutzungsplan wurde geändert und 2019 schließlich der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst. Zuständig ist in diesem Fall der Senat und nicht wie sonst üblich der Bezirk.
Die Zusage damals war auch, dass die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge den kompletten entstehenden Wohnungsbestand übernehmen wird, der dann zur Hälfte als Sozialwohnungen vermietet wird. Das wird beim Pressegespräch vor einigen Tagen deutlich vorsichtiger formuliert. »Das hängt davon ab, wie es der Wohnungsbaugesellschaft wirtschaftlich geht«, sagt Investor Florian Lanz. Auch Bezirksstadträtin Juliane Witt erklärt, dass sich noch zeigen müsse, »zu welchem Prozentsatz« die Howoge die Wohnungen übernehme.
Auch der ursprüngliche Zeitplan für die Realisierung ist längst Makulatur. »2031 ist zu schaffen«, sagt Lanz zu einer möglichen Fertigstellung – vier Jahre später als einst angekündigt. »Es hängt sehr vom Bau des Hochhauses ab. Denn ein Hochhausbau braucht länger als ein konventioneller Bau«, erläutert er. Um den Lärm der angrenzenden Industriegebiete abzuschotten, müssten zunächst Gewerbehof und Büroturm gebaut werden, auch die geplante Kita müsse fertig sein, bevor die Wohnungen bezogen werden könnten.
Bevor Baugenehmigungen erteilt werden können, muss jedoch zunächst das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen werden. Er hoffe, dass das bis Ende 2023 der Fall sein werde, sagt Lanz und schiebt trocken hinterher: »Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
Viele Probleme konnten bereits gelöst werden, so beim Denkmalschutz. Die ehemalige Tankstelle und zwei weitere Gebäude des 1942 als Rüstungsfabrik fertiggestellten Komplexes werden erhalten. In einem davon soll ein Jugendtreff einziehen. Architekt war mit Albert Speer eine der führenden Figuren der Nazidiktatur. 1400 Zwangsarbeiter, die in zwei Lagern auf dem Gelände untergebracht waren, mussten hier schuften.
Die aktuellen Probleme sind etwas profaner. Da ist eine Zauneidechse, die auf dem Gelände mehrfach gesichtet worden ist. »Wir haben in Berlin so viele Zauneidechsen, dass sie eigentlich gar nicht schützenswert sind. Ich will nicht die Zauneidechsen loswerden, aber es blockiert uns«, sagt Investor Lanz. »Das ist ein bisschen anstrengend«, findet auch Stadträtin Witt und führt aus: »Vielleicht wurde vor fünf Jahren die Wichtigkeit und Relevanz von solchen Themen nicht so gesehen. Es sind neue Kollegen da, die das ernst nehmen.«
Schließlich fordert der Bezirk auch eine neue Schule, für die es einen Standort einen S-Bahnhof weiter, am Halt Raoul-Wallenberg-Straße, gäbe. Allerdings berichtet Witt, dass die Senatsbildungsverwaltung keinen Bedarf für den neuen Schulstandort sehe. Das gehe aus einem Schreiben von Bildungsstaatssekretär Andreas Slotty (SPD) an den Bezirk hervor. Die hohe Bebauungsdichte, das gegenüber dem Bestand an der Marzahner Promenade doppelt so hohe Hochhaus und Detailfragen bei der Sicherheit des Straßenverkehrs – der Bezirk hat noch weitere Kritikpunkte, die das Vorhaben allerdings voraussichtlich nicht aufhalten werden.
Für Lanz ist es die »Königsdisziplin der Stadtentwicklung, hier einmal Wohnungsbau beziehungsweise ein gemischt genutztes Stadtquartier entstehen zu lassen«. Wenn es schlussendlich klappt, dürfte seine Laborgh Investment einen schönen Schnitt machen. 2016 hatte sie das Areal dem Knorr-Bremse-Konzern abgekauft. Laut Bodenrichtwert-Atlas lag der Wert des Geländes auf Basis der bei Grundstücksverkäufen gezahlten Preise damals bei 70 Euro pro Quadratmeter. Bis heute, noch ohne das neue Baurecht, ist er bereits auf 250 Euro gestiegen. Auf der anderen Seite der Bahn, an der Marzahner Promenade, liegt er bei 1200 Euro. Welcher Mehrwert für die Stadtgesellschaft entsteht, muss sich noch erweisen.
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