- Reise
- Reise/Trekking
Bis an die Grenzen gehen
Highlander Adventure Wanderungen sind eine Herausforderung für Körper und Geist. Ein Selbsttest
In der sengenden Hitze prüfte ich zum hundertsten Mal in dieser Stunde meine Sportuhr. Nur noch wenige Schritte trennten mich vom Ziel am Fuße des mächtigen Jebel Jais, dem mit fast 2000 Metern höchsten Berg der Vereinigten Arabischen Emirate. Nach rund zwanzig Kilometern Tagesmarsch war ich erschöpft und meine untrainierten Beine sehnten sich nach einer Massage.
- Der Highlander UAE findet jährlich im November statt. Weitere Informationen unter www.highlanderadventure.com/ras-al-khaimah/en-us
Ich stapfte weiter und versuchte, den Schweiß und die Erschöpfung auszublenden. Schließlich rannte mir kurz vor dem Ziel ein aufgeregtes Paar mit einem selbstgebastelten »Willkommen Highlanders«-Schild entgegen und feuerte mich mit tosendem Applaus und Kuhglockengeläut an. Zahlreiche Mitwanderer erhoben sich johlend von ihren Sitzen und feierten mich, als hätte ich gerade einen Weltrekord aufgestellt.
Diese Stimmung trug mich durch das Ziel und erschöpft fiel ich meinen neuen Wanderfreunden in die Arme. Freude und Stolz ersetzten schon bald die Mühen und Anstrengungen während der insgesamt dreitägigen, 55 Kilometer langen Wanderung. Immerhin wurde ich durch meinen Zieleinlauf zu einer echten Highlander Abenteuerin – und damit Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft, die Hitze und Blasen an den Füßen in einem der abgelegensten und unberührtesten Gegenden der Welt zusammenschweißten.
Wie alles begann
Die Highlander Adventure-Veranstaltungsreihe wurde 2017 in Kroatien ins Leben gerufen. Spezialisiert auf Langstreckenwanderungen, bietet sie Naturliebhabern Wanderungen ohne Wettbewerbscharakter an einigen der schönsten Orte der Welt. Dazu gehören Nationalparks und Weltkulturerbestätten in ganz Europa, den USA, Afrika und jetzt zum zweiten Mal im Nahen Osten. Alle Wanderwege werden von einheimischen Bergsteigern erschlossen und erzählen einzigartige Geschichten. In Ras Al Khaimah standen den rund 150 Abenteuerlustigen aus aller Welt zwei Routen zur Auswahl: eine 55 und eine 30 Kilometer lange Wanderung, die es an drei beziehungsweise zwei Tagen mit gesamter Ausrüstung inklusive Zelt und Tagesrationen zu bewältigen galt.
Die intensive Tour erfordert Ausdauer, Entschlossenheit und Abenteuerlust. Neben einer ordentlichen Wanderausrüstung mit Rucksack und Zelt müssen Outdoor-Enthusiasten über eine gewisse körperliche Grundfitness und mentale Stärke verfügen, um die steilen Kletterabschnitte zu bewältigen.
Allerdings gibt es bei einem Highlander keine Preise zu gewinnen. Es geht einzig um die Erfahrung und das Gefühl, selbst auf dem Weg und Teil eines größeren Ganzen zu sein. Auf der Website heißt es dazu: »Ein Highlander Adventure ist kein Rennen, sondern ein Abenteuer.« Wanderer können sich so viel Zeit lassen, wie sie brauchen. Sie müssen sich nur an den jeweiligen Kontrollstationen einen Stempel abholen und jeden Abend vor 22 Uhr an einem der ausgewiesenen Lagerplätze ankommen, an denen warme Mahlzeiten und Getränke bereitgestellt werden.
Abendliche Vorträge vom Veranstalter Fadi Hachicho informierten bei Lagerfeuerromantik über nachhaltiges Wandern. Er schwärmte davon, dass es »nichts Vergleichbares zu einer Highlander-Wanderung gibt. Herkunft oder Fitnesslevel spielen keine Rolle.« Jeder erhielt die gleiche Behandlung, und für ein paar Tage war der Alltagsstress ganz weit weg. Schnell formte sich ein unvergleichliches Wir-Gefühl in unserer kleinen eingeschworenen Gemeinschaft, in der wir uns zum jeweiligen Etappenziel schleppten und gegenseitig motivierten.
Abenteuerlust in den Bergen
Drei Tage lief ich vorbei an einheimischen Bauern, die in Flip-Flops ihre Maultiere die steilen Felswände emportrieben. Der schmale Wanderweg führte entlang eines von den Bergstämmen von Ras Al Khaimah genutzten Wanderweges in der fast zweitausend Meter hohen Bergkette des Hajar-Gebirges. Höhenangst und Sandalen sind hier eindeutig fehl am Platz
Ein ums andere Mal schloss ich mich anderen Wanderern an, um in der brütenden Mittagshitze zusammen unter einem Felsvorsprung eine Pause einzulegen, Geschichten auszutauschen und Pläne für zukünftige Wanderungen zu schmieden. Dieses Gefühl der gemeinsam erlebten Anstrengungen spornte an, trotz Muskelkater und Sonnenstich weiterzugehen, Schritt für Schritt.
»Was ihr an diesem Wochenende erlebt, ist etwas ganz Besonderes«, sagte uns Fadi. »Ras Al Khaimah ist mit seiner Mischung aus Meer, Wüste und Bergen das Gegenstück zu den Wolkenkratzern, Glitzer und Glamour von Dubai und Abu Dhabi. In enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Gemeinde haben wir unser Naturerbe zum Schutz des umliegenden Ökosystems genutzt und einige der am besten ausgebauten Wanderwege in der Region erschlossen.«
In der Tat beeindruckt das Hajar-Gebirge im Osten der Arabischen Halbinsel, das sich über Teile von Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten erstreckt. Die Wanderwege führen durch zerklüftete Berglandschaften mit spektakulären Ausblicken auf die umliegenden Täler und ein von hohen Felswänden umgebendes ausgetrocknetes Flussbett.
Kenner wissen, dass es wohl kaum etwas Entspannenderes als eine Wanderung durch die Natur gibt. Allein mit seinen Gedanken sein, wohl wissend, dass man alles, was man braucht, bei sich trägt. Jeder Schritt, den ich auf dem Weg machte, brachte mich näher an das Ziel und ließ mich für kurze Zeit eins mit der Natur werden und auf das Wesentliche konzentrieren. Die Schönheit und Ruhe boten eine willkommene Abwechslung zum Alltagsstress, und das unbeschreibliche Gemeinschaftsgefühl unter den Highlander Adventureres zeigte mir, was im Leben wirklich zählt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.