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Lula da Silva in China: Wichtige Mission
Brasiliens Präsident will in Peking Brücken bauen
Es ist ein Staatsbesuch von besonderer Bedeutung: Brasiliens Präsident Luiz Inácio da Silva, besser bekannt als Lula, reist in den nächsten Tagen durch China. Allein schon die Delegationsgröße zeigt, wie wichtig die Beziehung zu der asiatischen Supermacht ist. Sieben Minister, fünf Gouverneure, mehrere Abgeordnete und über 200 Unternehmer*innen reisen mit.
Neben einem Treffen mit Vertreter*innen der Technologie-Firma Huawei wird Lula in Shanghai an der Vereidigung seiner Vorgängerin und politischen Ziehtochter Dilma Rousseff zur Chefin der Brics-Entwicklungsbank NDB teilnehmen. Am Freitag steht ein Treffen mit Staatschef Xi Jinping auf dem Programm.
Eigentlich wollte der einstige Gewerkschaftsführer schon vor drei Wochen nach China fahren, musste seine Reise aber wegen einer Lungenentzündung verschieben. Nun ist Lula kuriert und hat sich viel vorgenommen: Er will die wirtschaftlichen Beziehungen stärken und die Rolle des südamerikanischen Landes in der globalen Diplomatie wiederherstellen. Für den brasilianischen Kolumnisten des Online-Portals UOL Jamil Chade ist das Gipfeltreffen zwischen Xi und Lula »eine weitere Episode in der Umgestaltung der internationalen Ordnung.«
Traditionell pflegen die beiden Länder gute Beziehungen. China ist bereits seit 2009 Brasiliens wichtigster Handelspartner. 2022 belief sich der bilaterale Handel auf 150 Milliarden US-Dollar. Brasilien exportiert vor allem Eisenerz, Sojabohnen und Rohöl nach China, während das asiatische Land Halbleiterbauelemente liefert, aber auch massiv in Infrastrukturprojekte investiert.
Doch in den letzten Jahren hat es Risse gegeben, das hat vor allem mit einem Mann zu tun: Ex-Präsident Jair Bolsonaro. Der Rechtsextreme suchte außenpolitisch die Nähe zur Trump-Administration, teilte immer wieder gegen China aus und löste damit eine schwere diplomatische Krise aus. Lula will mit seinem Besuch versuchen, Brücken wiederaufzubauen und die außenpolitische Isolation seines Landes endgültig beenden.
Die Reise geschieht in Zeiten zunehmender Spannungen zwischen dem Westen und China. Auch der Ukraine-Krieg hat die geopolitische Rolle Südamerikas neu justiert. Im Westen befürchten viele eine zu starke Anbindung von Staaten wie Brasilien an China und Russland.
In den sich zuspitzenden globalen Konflikten ist jedoch keine eindeutige Positionierung von Lula zu erwarten. Seine Außenpolitik ist durch eine multipolare Taktik geprägt, mit dem Ziel, eine strategische Äquidistanz zu den Großmächten zu bewahren. Der 77-Jährige pflegt sowohl gute Beziehungen zur Biden-Administration und der EU als auch zu Peking. Ein Indiz, dass China für ihn wichtiger sein könnte, liefert die Länge seines Aufenthalts: Während er Washington im Februar nur einen Kurzbesuch abstattete, wird er nun vier Tage in China verbringen.
In diesen Tagen könnten mehr als 20 Kooperationsabkommen zwischen China und Brasilien unterzeichnet werden. Zu Beginn dieses Jahres haben beide Länder bereits einen Währungs-Vertrag abgeschlossen, um die Dominanz des Dollars zu verringern und den bilateralen Handel zu erleichtern. Brasilien könnte auch in die »Belt and Roads Initiative« – die sogenannte Neue Seidenstraße –aufgenommen werden, vermuten Beobachter. »Die Beziehung muss erhalten bleiben, aber es darf nicht zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit werden«, warnt Guilherme Casarões, Politik-Professor und Experte für Internationale Beziehungen, im Gespräch mit dem »nd«.
Auch innenpolitisch ist die Reise für Lula, der seit 100 Tagen im Amt ist, von großer Bedeutung. Um seine ehrgeizigen Wahlversprechen umsetzen zu können – Verringerung der Armut, Investitionen in Bildung, mehr Arbeitsplätze – ist er auf den einflussreichen Agrarsektor und gute Beziehungen zu China angewiesen. Etliche Vertreter*innen des eigentlich eher rechts stehenden Agrobusiness sind nun mit Lula in China unterwegs.
Bei seinem Treffen mit Xi Jinping will Lula auch über den Ukraine-Krieg sprechen. Der Politiker der Arbeiterpartei PT betonte zuletzt erneut, er wolle »an keinem Kalten Krieg« teilnehmen. Er sagte außerdem, der russische Präsident Wladimir Putin »kann sich nicht das Land der Ukraine nehmen«, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj könne aber auch »nicht alles« haben wollen. Sein Vorschlag, die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim aufzugeben, wird von der Ukraine strikt abgelehnt.
Lula hatte mehrfach angeregt, einen »Friedensklub« gründen zu wollen und zusammen mit China als Vermittler aufzutreten. Von den westlichen Staatschefs wurde der Vorschlag bisher nur vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron begrüßt. Viele Beobachter reagierten gar mit Häme auf Lulas Vorstoß, warfen ihm Kremlpropaganda vor. Doch während seiner ersten Amtszeiten gelang es ihm durchaus, in mehreren Konflikten erfolgreich zu vermitteln, wie beim Atomstreit mit dem Iran und ebenso zwischen den USA und Venezuela. Doch dass er beim festgefahrenen Ukraine-Krieg Erfolg haben wird, darf bezweifelt werden. Für Lula scheint die Sache klar zu sein: Der Krieg wird nicht militärisch zu beenden sein und China ist der einzige Staat, der Russland zu einer Einstellung der Kampfhandlungen bewegen kann.
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