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Wohnungsmangel in Berlin: Kein Ende in Sicht
Die Mieten in Berlin steigen weiter, es mangelt vor allem an Sozialwohnungen
Am Montag will sich Joana noch einmal in das Schaufenster der Galerie an der Kreuzberger Falckensteinstraße setzen. Als lebendige Suchanzeige, mit ihrem Mobiliar, Koffern, Kartons und einem Pappschild auf dem »Suche Wohnung« steht. Es ist eine Kunstperformance, um auf die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt aufmerksam zu machen. Und zugleich ein ungewöhnlicher Versuch in eigener Sache.
Joana wohnt seit mehreren Jahren im Wrangelkiez in einem Untermietverhältnis. Doch nun sei ihr grundlos gekündigt worden. Die Suche nach einer neuen bezahlbaren Wohnung im Kiez oder den angrenzenden Bezirken sei bisher erfolglos geblieben. Deshalb sitzt sie seit Donnerstag jeden Tag von mittags bis acht Uhr abends im Schaufenster der Galerie und hofft auf das Unwahrscheinliche. Doch ein Wohnungsangebot habe sie noch nicht erhalten, berichtet sie am Sonntag »nd«.
»Ich sitze hier nicht nur für mich allein, sondern möchte auch anderen, die eine Wohnung suchen, eine Stimme geben«, sagt Joana. Denn wie ihr geht es vielen in Berlin. Anfang des Monats erhielt ein Video von einer über 100 Meter langen Schlange bei einer Wohnungsbesichtigung in Charlottenburg viel Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken. Auch im Wrangelkiez kennt man solche Schlangen, wenn eine noch halbwegs bezahlbare Wohnung im Angebot ist. Der lokale Wohnungsmarkt sei längst nicht mehr an den Bedarfen der Menschen vor Ort ausgerichtet, sondern den Renditemöglichkeiten von Anlegern, kritisiert die Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez. Das gelte sowohl für den Neubau als auch für den Bestand.
Was ersteren betrifft, ist das Immobilienunternehmen Ziegert den Anwohnern im Kiez ein Dorn im Auge. Ob in der Reichenberger Straße unter dem Namen »Hype & Hide« oder in der Falckensteinstraße mit dem Titel »Im Himmel über Berlin«: Ziegert verkauft hier »exklusive« Eigentumswohnungen. Das Penthouse, ein paar Häuser von der Galerie entfernt, in der Joana sitzt, ist noch zu haben – für 2,7 Millionen Euro.
Eigentumswohnungen sind aber nicht nur die Realität beim Neubau. Sie gehören auch zum Trend im Wohnungsbestand. 35 Prozent der Mietshäuser in Friedrichshain-Kreuzberg gelten als in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Immer wieder führen Eigenbedarfskündigungen zu Protesten im Bezirk. In der Falckensteinstraße 29 kann man dann gleich eine 3-Zimmer Wohnung für 355 000 Euro kaufen – mit dem Hinweis »vermietet«.
Die Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez beobachtet nicht nur, wie immer mehr Eigentumswohnungen verkauft werden. Auch durch die Vermietung von Ferienapartments und möblierten Zimmern mit zeitlich begrenzter Mietdauer werden Wohnungen dem regulären Markt entzogen.
Für den Großteil der Berliner, der sich kein Wohneigentum leisten kann, wird es unterdessen immer teurer. Einen Mietanstieg von 22 Prozent im ersten Quartal 2023 vermeldete das Wohnungsportal Immowelt vergangene Woche. 12,41 Euro je Quadratmeter müssten Wohnungssuchende im Schnitt mittlerweile zahlen, vor drei Monaten waren es auf der Plattform noch knapp über 10 Euro.
Auch der Branchenführer Immoscout24 spricht am Donnerstag von einem historischen Mietansteig in Deutschland. Auch bei Wohnungsanzeigen auf diesem Portal liegt die durchschnittliche Angebotsmiete pro Quadratmeter bei rund 12,50 Euro im Bestand. Für Neubau müsse ein durchschnittlicher Mietpreis von 17,64 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden – ein Anstieg von rund 20 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres.
Die Gründe für den Anstieg sind vielfältig. Allen voran ist es die reditegetriebene Wohnungswirtschaft. Immowelt nennt den Zuzug nach Berlin auch von Geflüchteten aus der Ukraine, den stockenden Wohnungsbau »vor allem im staatlich geförderten Segment« und »Nachholeffekte« des gescheiterten Mietendeckels als Faktoren. Auch dass aufgrund des Zinsanstieges Wohneigentum selbst für Vermögende kaum erschwinglich ist und diese nun auch nach Mietwohnungen suchen, wird immer wieder als Grund angeführt.
Letztlich ist es auch die lückenhafte gesetzliche Regulierung unter anderem bei möblierten Wohnungen, die es möglich macht, dass extrem teure Wohnungen angeboten werden. Der Bund macht bisher nicht mal Anstalten, die im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP verabredeten, aber wahrscheinlich unzureichenden Änderungen beim Mietrecht umzusetzen. Die Koalitionspartner werfen FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann eine Blockade vor.
Im Land Berlin ist die Antwort der möglichen neuen Regierung aus CDU und SPD der Wohnungsbau. Dass es aber vor allem darauf ankommt, was gebaut wird, führen die Eigentumswohnungen im Wrangelkiez eindrücklich vor. Statt solcher brauche es vor allem Sozialwohnungen, heißt es immer wieder. Hinzu kommt, dass allein bis Ende 2025 14 000 weitere Wohnungen vor allem in der Innenstadt aus der Sozialbindung fallen.
CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag das Ziel verabredet, dass pro Jahr 5000 neue Sozialwohnungen gebaut werden. Grüne und Linke, die bisherigen Koalitionspartner der SPD, kritisieren den Vertrag der neuen Koalition. »Überzeugende Konzepte, wie diese Zahl erreicht werden soll, hat die Groko nicht«, meint Linke-Wohnungspolitiker Niklas Schenker.
Ein Kritikpunkt von Grünen und Linken ist die Einführung eines dritten Fördersegments beim Wohnungsbau, wobei entgegen des vorrangigen Bedarfs im niedrigen Preissegment künftig auch teurer vermietete Neubauwohnungen mit öffentlichen Mitteln gefördert werden sollen. Es bestehe die Gefahr, dass sich Investoren künftig das Fördersegment aussuchen und »ganz arme Haushalte leer ausgehen«. »Damit könnte die soziale Spaltung in der Stadt weiter angeheizt werden«, kritisierte Grünen-Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger.
Bisher hatten profitorientierte Unternehmen weitestgehend einen Bogen um den Bau geförderter Wohnungen gemacht. Im Vergleich zu den luxuriösen Neubauten, die auch im Wrangelkiez entstehen, versprach der Bau von Sozialwohnungen geringere Gewinne.
Gegenwärtig steht der Wohnungsbau in Berlin vor den mit den gestiegenen Bau- und Kapitalkosten einhergehenden Herausforderung. Auch nicht-profitorientierte Unternehmen müssen ohne Förderung mit Mietpreisen von mindestens 17 Euro pro Quadratmeter kalkulieren, um ihre Kosten zu decken.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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