Die Linke: Vielen reicht es

Prominente Politiker fordern Besinnung auf Gemeinsamkeiten. Vielerorts kämpfen Linke gegeneinander

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein neuer Appell an die eigene Partei, den prominente Linke-Politiker am Wochenende als Anzeige in dieser Zeitung veröffentlichten, ist ein weiteres Zeichen für deren dramatischen Zustand. Er trägt den Titel »Es reicht!« und ist von Linksfraktionschef Dietmar Bartsch, den direkt gewählten Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch, Gregor Gysi und Sören Pellmann, von Mecklenburg-Vorpommerns Vizeministerpräsidentin Simone Oldenburg und Heinz Bierbaum, dem Chef der Rosa-Luxemburg-Stiftung, aber auch von Gerhard Trabert unterzeichnet, der vor einem guten Jahr für die Linke für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte.

In dem Aufruf wird dringend vor einer Parteineugründung, wie sie Sahra Wagenknecht und andere in Erwägung ziehen, gewarnt. Dies sei »völlig überflüssig«. Zugleich wenden sich die Unterzeichnenden allgemein gegen »die Anstrengung von Ausschlussverfahren«. Ausschlussanträge gab es unter anderem gegen Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und den früheren Bundestagsabgeordneten Diether Dehm. Auch der Rauswurf von Wagenknecht aus Partei und Bundestagsfraktion wurde wiederholt gefordert.

»Schluss mit permanentem öffentlichen Streit, mit gegenseitiger Denunziation, mit Egotrips«, rufen die Unterzeichnenden den Genossen nun zu. Es sei dringend nötig, »diesen schädlichen Kurs der Selbstbeschäftigung zu stoppen und uns um unsere wahre Aufgabe zu kümmern – den Kampf für Gerechtigkeit und Frieden«.

Wie unversöhnlich innerparteiliche Differenzen in der Linken oft ausgetragen werden, das lässt sich seit langem in Nordrhein-Westfalen und aktuell in Bochum beobachten. Aktuell wird im nur noch knapp 270 Mitglieder zählenden Kreisverband Bochum ein heftiger Streit öffentlich ausgetragen. In dessen Zentrum steht keine geringere als die wegen ihrer Nähe zu Wagenknecht und ihrer Positionen zum russischen Krieg gegen die Ukraine umstrittene Bochumer Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen.

Wie Mitte März bekannt wurde, hat Dağdelen seit September 2022 keine Mandatsträgerabgaben mehr an ihre Partei gezahlt. Diese sind für Linke-Parlamentarier in Bund und Ländern verpflichtend. Insgesamt schuldet sie der Linken knapp 9500 Euro. Dağdelen hatte allerdings gegenüber dem »Spiegel«-erklärt, sie wolle die fehlenden Beiträge begleichen, der Zahlungsverzug sei ein Versehen. Ihr sei weder vorab eine Nachfrage noch eine Zahlungsaufforderung der Partei zugegangen. »Es befremdet mich deshalb sehr, dass seitens der Parteispitze über die Medien der Eindruck erweckt wird, ich hätte diese Zahlungen absichtlich beendet.« Das ist eine Kritik an der Linke-Bundesvorsitzenden Janine Wissler, die Dağdelen auf einer Pressekonferenz auf eine Journalistenfrage zu dem »Spiegel«-Bericht um den Rückstand aufgefordert hatte, die ausstehenden Zahlungen »umgehend« zu begleichen.

Doch in Bochum ist Dağdelen keineswegs die einzige Politikerin, die mit ihren Zahlungen im Verzug ist. Einem Bericht der »Westdeutschen Allgemeinen« zufolge zahlten auch Rats- und Bezirksfraktionsmitglieder der Bochumer Linken gar keine oder deutlich weniger als die vereinbarten Spenden an den Kreisverband. Dabei hätten sich alle Mandatsträger verpflichtet, 50 Prozent der Aufwandsentschädigung für die Ausübung des Mandats an die Partei zu spenden. Die Höhe der Verpflichtung bestätigte der NRW-Landesverband der Linken gegenüber »nd«.

Laut »WAZ«-Bericht treibt ein Teil des Kreisvorstands rechtliche Schritte gegen mindestens vier säumige Lokalpolitiker voran. Sie haben demnach auf Mahnungen nicht reagiert. 30 000 Euro sollen dadurch in der Kasse des Kreisverbands fehlen. Kreissprecher Moritz Müller, ein Ex-Mitarbeiter von Dağdelen, sagte der »WAZ«, die Gelder seien »für eine Partei wie unsere enorm wichtig«.

Fatma Karacakurtoglu, die für Die Linke im Dortmunder Stadtrat sitzt, sagte zu den Vorgängen gegenüber »nd«: »Solche Dinge sollten lieber intern geklärt werden als Personen über die Medien zu denunzieren. Grundsätzlich muss aber jeder gewählte Vertreter seine Beiträge leisten.«

Kritik an Dağdelen kommt indes auch aus ihrer Geburtsstadt und langjährigen Wirkungsstätte Duisburg. Kreisverbandssmitglieder monieren ihre »Bewunderung für Putin« und finden ihr Verhalten »intrigant« gegenüber Genossen. Die Bochumer Linke ist vor ihrer für Donnerstag geplanten Mitgliederversammlung jedenfalls im Krisenmodus. Auch hier fürchten viele eine Spaltung.

Auf Bundesebene bleibt der Ton ebenfalls rau, wie Reaktionen auf den Appell von Bartsch, Gysi und Co. auf Twitter zeigen. Dort wird moniert, dass die dort formulierte Kritik nicht »Ross und Reiter« benenne. Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner fragte, ob »eigentlich die Parteivorsitzenden und alle unsere Minister*innen gefragt« wurden, ob sie den Aufruf unterstützen. Und wenn nicht, ob das dann »zum Appell nach Schluss mit Egoismen und Selbstbeschäftigung« passe. Und der Landessprecher der Bremer Linken, Christoph Speer, ätzte: »Was soll das sein, das Gründungsmanifest der Partei der Direktmandategewinner? Oder der x-te Aufguß von ›Sarah meint es doch gar nicht böse?‹«

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