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Franchise auf Kosten der Angestellten
Seit über einem Monat kämpfen Angestellte der größten belgischen Supermarktkette Delhaize gegen den Konzernumbau
Erneut haben am vergangenen Freitagabend über hundert Angestellte von Delhaize ein Logistikzentrum der belgischen Supermarktkette in der flämischen Stadt Zellik blockiert. Knapp sieben Stunden wurden Lastwagen daran gehindert, den Standort zu verlassen. Dadurch konnten Waren für das Samstagsgeschäft nicht rechtzeitig ausgeliefert werden. Auch wurden am Wochenende 21 Filialen der Kette bestreikt, wie die belgische Tageszeitung »Het Laatste Nieuws« berichtet.
Die Gewerkschaften richten sich mit ihren Streiks und Aktionen gegen Pläne der Konzernführung, 128 Filialen abzustoßen und sie in ein Franchise-Modell zu überführen. Dabei handelt es sich um die größten der insgesamt rund 700 Delhaize-Standorte. Künftig sollen die Geschäfte selbstständig geführt werden, wie Unternehmenssprecherin Karima Ghozzi auf nd-Anfrage mitteilte. »Die Ausgründung der Geschäfte ist die einzige Möglichkeit, Delhaize wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen und die Arbeitsplätze der 35 000 Mitarbeiter zu sichern«, erklärt sie.
Delhaize wurde im Juli 2016 vom niederländischen Ahold-Konzern aufgekauft. Das Unternehmen wurde dadurch europaweit zur viertgrößten Supermarktkette. Unter dem Namen Koninklijke Ahold Delhaize betreibt es rund 8000 Geschäfte in zehn Ländern und beschäftigt weltweit knapp 414 000 Menschen. Im vergangenen Jahr machte der Konzern einen Gewinn von 2,5 Milliarden Euro. Das ist ein Zuwachs von rund 300 Millionen Euro gegenüber 2021. Einer Recherche des niederländischen Nachrichtensenders NOS Nieuwsuur zufolge ist dies auch auf Preissteigerungen unter dem Vorwand hoher Inflationsraten zurückzuführen.
Das anvisierte Franchise-Modell beinhaltet, dass kleine selbstständige Unternehmen sich in die große Marke Delhaize einkaufen, so an die Logistikkette des Dachkonzerns angeschlossen werden und von dessen Infrastruktur profitieren. Das Großunternehmen muss sich wiederum nicht mit dem Management der einzelnen Filialen beschäftigen. Für die Gewerkschaften bedeutet es, dass sie mit bis zu 128 verschiedenen Franchise-Nehmern konfrontiert wären. Das würde die konzernweite Organisierung der Arbeiter*innen erschweren. Von den aktuellen Plänen sind laut Gewerkschaftsangaben etwa 9200 Arbeiter*innen betroffen, die Stellenabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen befürchten.
»Bei Übernahmen sind die selbstständigen Franchisenehmer per Gesetz dazu verpflichtet, die Arbeitsbedingungen zu erhalten«, wischt Konzernsprecherin Ghozzi die Sorgen der Beschäftigten weg. Doch das Gesetz kennt Ausnahmen: »Wenn Unternehmen unter ökonomischem Druck stehen, kann diese rechtliche Garantie außer Kraft gesetzt werden«, erklärt Katrien Degryse von der sozialistischen Gewerkschaft BBTK gegenüber »nd.derTag«. Sie ist Gewerkschaftssekretärin und begleitet den Arbeitskampf bei Delhaize für die Gewerkschaft in der Region Gent.
Aus Degryses Sicht werden schlechtere Arbeitsbedingungen eine logische Konsequenz der Umstrukturierung sein: »Unter den Supermärkten wird auch vor dem Hintergrund hoher Inflationsraten gerade ein Preiskrieg geführt und es ist klar, dass kleine Franchise-Unternehmen weniger finanzielle Handlungsspielräume haben als ein großes Unternehmen wie Delhaize. Niedrigere Löhne und längere Arbeitszeiten werden eine zwangsläufige Folge der Ausgründungen sein«, sagt Degryse. Wie aus einer Umfrage der größten belgischen Gewerkschaft Allgemeen Christlijk Vakverbond (ACV) hervorgeht, sind die Arbeitsbedingungen in den rund 600 kleineren Filialen, die bereits nach dem Franchise-Modell operieren, deutlich schlechter. Demnach verdienen Angestellte in diesen Filialen im Schnitt 25 Prozent weniger Lohn, erhalten weniger Zuschläge und haben längere Arbeitszeiten. Die Unternehmen müssen zudem sonntags öffnen, um profitabel zu sein.
Ziel der Gewerkschaften ist es darum nicht nur, die Ausgründung der Filialen zu verhindern. Vielmehr gehe es darum, auch für die übrigen 600 Franchise-Unternehmen einheitliche Tarifverträge durchzusetzen. »Gleicher Lohn und gleiche Rechte für gleiche Arbeit ist unsere Forderung«, sagt Degryse. Dies will ihre Gewerkschaft über Branchentarifverträge erreichen, die in Belgien ab dieser Woche verhandelt werden. Die Stimmung sei kämpferisch und die Streikbereitschaft hoch, auch vor dem Hintergrund hoher Konzerngewinne in den vergangenen Jahren.
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