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Mit Tarifvertrag gibt es mehr Geld
Linke fordert Verbot sogenannter OT-Mitgliedschaften bei Arbeitgeberverbänden
Wer hierzulande in einem Betrieb arbeitet, in dem es einen Tarifvertrag gibt, gehört zur glücklicheren Hälfte der arbeitenden Bevölkerung. Denn Vollzeitbeschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag arbeiten im Schnitt 54 Minuten in der Woche weniger und verdienen elf Prozent mehr als Beschäftigte ohne Tarifbindung. Das geht aus einer Studie hervor, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch veröffentlicht hat. »Es lohnt sich deshalb, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen für einen Tarifvertrag zu kämpfen – auch wenn der Weg dahin oft nicht einfach ist«, sagt Studien-Mitautor Malte Lübker.
Denn Arbeitgeber zahlen nicht gern nach Tarif und haben meist auch die Gewerkschaften lieber nicht im Betrieb. So nahm in den vergangenen Jahren die Tarifbindung deutlich ab. Während im Jahr 2000 insgesamt 68 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in tarifgebundenen Unternehmen arbeiteten, waren es 2021 nur noch 52 Prozent. In Ostdeutschland waren es sogar noch deutlich weniger. In Mecklenburg-Vorpommern etwa lag der Anteil bei lediglich 41 Prozent.
»Die Bundesregierung muss endlich gegen die sich verfestigende Zwei-Klassen-Gesellschaft am Arbeitsmarkt vorgehen und einen umfassenden Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung vorlegen«, fordert deshalb der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Pascal Meiser. Denn Deutschland hinkt in Sachen Tarifbindung nicht nur Nachbarländern wie Frankreich, Österreich oder Belgien hinterher, bei denen die Tarifbindung bei fast 100 Prozent liegt. Es hat vor allem noch einiges zu tun, will es neue EU-Vorgaben erfüllen. Im vergangenen Jahr einigte sich die EU, im Rahmen ihrer Mindestlohnrichtlinie auch die Tarifbindung zu fördern. Mitgliedsländer, in denen die Bindung unter 80 Prozent liegt, sind deshalb aufgefordert, einen Aktionsplan samt Maßnahmen zu erstellen.
Zur Stärkung der Tarifbindung will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bis zum Sommer einen Entwurf für ein Bundestariftreuegesetz ausarbeiten, demzufolge öffentliche Aufträge künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden sollen, die sich an Tarifverträge halten. Außerdem ist eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von bestehenden Tarifverträgen sowie ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften in den Betrieben im Gespräch, mit dem es den Beschäftigten erleichtert werden soll, sich zu organisieren.
Linke-Politiker Meiser plädiert für eine weitere Maßnahme: ein Verbot von sogenannten OT-Mitgliedschaften bei Arbeitgeberverbänden. »OT« steht für »Ohne Tarifbindung«. Unternehmen mit solchen Mitgliedschaften müssen sich nicht an Tarifverträge halten. »Immer mehr Unternehmen nutzen das fragwürdige Instrument der OT-Mitgliedschaft, um sich der Tarifbindung zu entziehen und verschaffen sich so schmutzige Wettbewerbsvorteile gegenüber denjenigen Konkurrenten, die nach Tarif zahlen. Doch die Bundesregierung scheint die Augen vor dieser Problematik verschließen zu wollen«, sagt Meiser.
Die Arbeitgeberverbände führten die Form dieser Mitgliedschaften Anfang der 1990er Jahre ein. Zwar gibt es keine genauen Zahlen, wie viele Unternehmen OT-Mitglieder in Arbeitgeberverbänden sind. »Arbeitgeberverbände veröffentlichen in der Regel keine Zahlen zu ihren Mitgliedschaften. Der Bundesregierung liegt deswegen keine umfassende Darstellung der Anzahl von Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden insgesamt oder von OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden vor«, heißt es etwa in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.
Doch ein Blick auf den mächtigen Gesamtmetall-Verband lässt erahnen, wie groß das Ausmaß des Problems ist. Darin sind 3864 Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie mit insgesamt 576 985 Beschäftigten ohne Tarifbindung organisiert. Dabei sind offenbar vor allem kleinere Unternehmen OT-Mitglieder. Denn der Anteil der OT-Mitglieder liegt zwar bei über der Hälfte der Gesamtmitglieder im Dachverband, doch stehen sie für nur knapp ein Viertel der Beschäftigten.
»Die Bundesregierung darf dieser Entwicklung nicht länger tatenlos zusehen«, unterstreicht Linke-Politiker Meiser deshalb seine Forderung nach einem umfassenden Maßnahmenpaket zur Stärkung der Tarifbindung. Nur so ließen sich auch die neuen europäischen Vorgaben einer Tarifbindung von mindestens 80 Prozent erreichen. »Ein Baustein in diesem Maßnahmenpaket sollte dabei auch ein Verbot von OT-Mitgliedschaften sein«, sagt Meiser.
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