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Airbus rüstet auf
Der Luft- und Raumfahrtkonzern blickt optimistisch in die Zukunft – auch dank der Militärsparte
Bereits eine Stunde nach dem erfolgreichen Start breitete die Raumsonde Juice ihre Flügel aus. Das Team im Europäischen Raumfahrtzentrum in Darmstadt übernahm die Kontrolle und bestätigte den Empfang der ersten Telemetriedaten. Die von Airbus gebaute Raumsonde war wenige Tage vor der Hauptversammlung auf ihre fünf Milliarden Kilometer lange Reise zum Planeten Jupiter gestartet. Juice zeige, zu was Europa in der Lage sei, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury am Mittwoch auf dem Aktionärstreffen in Amsterdam. Doch auch in seinem Kerngeschäft greift der Luft- und Raumfahrtkonzern nach den »Sternen«: Der Umsatz des Konzerns stieg im vergangenen Jahr um 13 Prozent auf 58,8 Milliarden Euro, der Nettogewinn legte um über 23 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro zu. Gerade die militärische Zukunft erscheint rosig.
Airbus schreibt eine industriepolitische Erfolgsgeschichte wie aus dem Stamokap-Lehrbuch. Zusammen mit der US-amerikanischen Boeing beherrscht der deutsch-französische Konzern heute die zivile Luftfahrt weltweit. Den jahrzehntelangen Platzhirsch hat Airbus mittlerweile weit hinter sich gelassen: Während Boeing 2022 lediglich 480 Verkehrsflugzeuge an Kunden übergab, lieferte Airbus 661 Maschinen aus.
Noch heute haben die Regierungen in Paris und Berlin entscheidenden Einfluss auf den Luft- und Raumfahrtkonzern. Mit 25,9 Prozent halten die beiden Regierungen sowie Spanien immer noch eine Sperrminorität, nichts geht gegen ihren Willen. An der deutschen Beteiligungsgesellschaft GZBV sind auch die Bundesländer Bayern, Bremen, Hamburg und Niedersachsen beteiligt, in denen sich die großen hiesigen Standorte der Airbus SE befinden.
Als Brot- und Buttergeschäft gilt im Konzern weiterhin die Produktpalette um den Mittelstreckenjet A320. Doch inzwischen ist Airbus auch der größte Rüstungskonzern in der Europäischen Union. Auf Eurofighter, Transportflugzeuge und U-Boot-Jäger, außerdem zivile wie militärische Orbitalraketen, Beobachtungssatelliten und elektronische Überwachungssysteme entfallen laut Geschäftsbericht 19,1 Prozent des Umsatzes. Obendrein liefert die »Division Helikopter« neben zivilen auch militärische Hubschrauber und Drohnen an Dutzende Länder.
Nichtregierungsorganisationen wie Urgewald oder der Dachverband der Kritischen Aktionäre hatten schon in der Vergangenheit kritisiert, dass der Konzern von Kriegen profitierten und dass autoritäre Regierungen mithilfe von Airbus-Technik gegen Embargos verstoßen würden oder militärische Grenzanlagen errichten. Kritik an Dritten, für die sich »Airbusianer« bisher nicht wirklich zuständig fühlen.
Da die Unterscheidung von ziviler und militärischer Nutzung in der Airbus-Bilanz nicht immer trennscharf erfolgt, können Forscher wie Friedensbewegte den gesamten Rüstungsanteil nur schätzen. Danach dürfte etwa ein Viertel des Umsatzes, knapp 15 Milliarden Euro, auf Herstellung, Service und Reparatur von Rüstungsgütern entfallen. Zum Vergleich: Die militärische Nummer zwei in Deutschland, die gerade in den Deutschen Aktienindex aufgestiegene Rheinmetall, erzielte im vergangenen Jahr lediglich einen Umsatz im Rüstungsgeschäft von 4,8 Milliarden Euro. Außerdem darf man nicht übersehen, wie »tief« der Airbus-Konzern aufgestellt ist: Der Luft- und Raumfahrtkonzern, der auch in China produziert, verfügt über 11 000 Zulieferer in aller Welt.
Doch während im Brot- und Buttergeschäft die Gewinne trotz der Lieferkettenprobleme nach der Corona-Depression wieder sprudeln, gilt dies für die Rüstungssparte nur bedingt. Inflation und Nachrüstungen führten bei dem schon in der Vergangenheit verlustreichen Militärtransporter A400M zu zusätzlichen Aufwendungen in Höhe von 477 Millionen Euro. Die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Aussichten der Abteilung »Defence and Space« bewerten Bankanalysten allerdings überaus positiv. Viele Länder reagierten schließlich auf die zugespitzte geopolitische Lage mit steigenden Rüstungsausgaben. Davon wird Airbus nicht allein bei Militärflugzeugen und Raumsonden profitieren, sondern auch bei Sensoren und Kommunikationstechnologien, die von Armeen eingesetzt werden. Und mit dem »intelligenten« Luftkampfsystem FCAS – dem größten Rüstungsprojekt Westeuropas – und der bewaffneten Drohne Euromale hat Airbus für die Zukunft noch Abermilliarden Euro schwere Projekte im Köcher. In der »digitalen Transformation« der Militärtechnik strebt Airbus eine Führungsrolle an, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende René Obermann, ehemals Chef der Deutschen Telekom, im Amsterdamer Hotel Okura.
Frankreich und Deutschland hatten in den 1960er Jahren begonnen, mit hohen Subventionen eine westeuropäische Luft- und Raumfahrindustrie aufzubauen. In mehreren Schritten wurden zunächst die nationalen Hersteller und diese dann grenzüberschreitend verschmolzen. In kleineren Rollen waren auch Briten, Spanier und Italiener beteiligt. Angesichts des Erfolges von Airbus als Technologieführer, der 130 000 überdurchschnittlich bezahlte Arbeitsplätze bietet, und durch die hohen Dividenden zahlte sich der industriepolitische Kraftakt für die Staaten aus. Und so warf Vorstandschef Guillaume Faury auf der Hauptversammlung einen »zuversichtlichen Blick in die Zukunft« und schlug den Aktionären in diesem Jahr eine höhere Dividendenausschüttung vor.
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