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Rana Plaza: Wut und Trauer bleiben
Die Katastrophe von Rana Plaza hat die Textilbranche verändert
»Auf einmal gab es einen Stromausfall. Ich hatte furchtbare Angst, dass das Gebäude jeden Moment einstürzen könnte. Dann, in dem Moment als die Generatoren angeschaltet wurden, wackelte das ganze Gebäude so heftig, und es stürzte tatsächlich ein! Danach erinnere ich mich daran, mich nicht mehr bewegen zu können.« Mit diesen Worten beschreibt die Näherin Rita Akher Josna in einem Interview, wie sie den Morgen des 24. April vor zehn Jahren erlebte. An diesem Tag stürzte in Bangladesch der achtstöckige Fabrikkomplex Rana Plaza ein.
Mehr als 5000 Arbeiter*innen befanden sich in den zahlreichen Textilwerkstätten, die in dem Gebäude neben Geschäften und einer Bank untergebracht waren. Schon am Tag vor dem Unglück waren Risse in dem Gebäude entdeckt worden, die Geschäfte im Erdgeschoss hatten bereits reagiert und geschlossen. Die Arbeiter*innen wurden jedoch gezwungen, ihre Arbeit fortzusetzen. Ihnen wurde damit gedroht, dass der Lohn für zwei Monate einbehalten würde, wenn sie nicht wieder an die Arbeit gingen. Dann kam es zum Einsturz. Mehr als 1100 Menschen starben in den Trümmern, 2500 wurden verletzt. Tausende Familien standen plötzlich vor dem wirtschaftlichen Abgrund, da die verunglückten Näherinnen oft Alleinverdienerinnen waren.
In den Trümmern wurden Etiketten zahlreicher europäischer Unternehmen und Modemarken gefunden, darunter Primark, Benetton, Mango, C&A sowie die deutschen Unternehmen KiK und Adler. Zwar wiesen diese zunächst jegliche Verantwortung von sich, den öffentlichen Druck konnte die Textilbranche jedoch nicht ignorieren. Letztlich erklärte sich ein Teil der Unternehmen bereit, in einen Entschädigungsfonds einzuzahlen. Mehr als 30 Millionen US-Dollar wurden bis Mitte 2015 gesammelt, um an die rund 2800 Antragsteller*innen ausgezahlt zu werden. »Wir haben jahrelang dafür gekämpft, dass es Entschädigungen gibt«, sagt Gisela Burckhardt von Femnet gegenüber »nd«. »Aber das Geld reicht bei weitem nicht.«
Zur Verantwortung sollten auch die Verantwortlichen in Bangladesch gezogen werden. 2016, drei Jahre nach dem Unglück, wurden in einem Gerichtsprozess insgesamt 41 Menschen angeklagt, 38 wegen Mordes und drei wegen Beihilfe zur Flucht des Hauptangeklagten. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, bewusst mangelhafte Baustandards unterschrieben zu haben. Zudem sollen sie Mitarbeiter*innen gezwungen haben, in dem achtstöckigen Gebäude zu arbeiten, obwohl sie wussten, dass es strukturell nicht intakt war. Das Verfahren wurde im Februar 2022 wieder aufgenommen, nachdem es jahrelang immer wieder ausgesetzt worden war. Der Hauptangeklagte Sohal Rana, Eigentümer des Fabrikkomplexes, wurde im August 2017 zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, weil er sich weigerte, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen. Er war bisher der einzige Angeklagte, der in Haft war. Im April nun wurde auch Rana gegen Kaution freigelassen. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Mohiuddin Dewan hat allerdings angekündigt, vor dem Obersten Gerichtshof Berufung einlegen zu wollen.
Doch unterstützt durch die weltweite Aufmerksamkeit konnten die Textilgewerkschaften in Bangladesch nach der Katastrophe auch Verbesserungen erreichen. »Heute gibt es in vielen Fabriken Sicherheitskomitees, die Zahl der Gewerkschaften hat sich erhöht, die Einkäufer sind sensibilisiert«, sagt Amirul Hague Amin, Präsident und Mitbegründer der Nationalen Gewerkschaft der Textilarbeiter in Bangladesch. Allerdings gelte das nicht für alle, so Amin bei der Pressekonferenz zum Jahrestag der Katastrophe in Dhaka. »Besonders die kleinen Fabriken brauchen dringend mehr Sicherheit.« Dafür müssten die Hindernisse – auch die unsichtbaren – bei der Gründung von Gewerkschaften beseitigt werden.
Noch immer kommt es zu Entlassungen, wenn Arbeiter*innen sich zusammenschließen. Als Weckruf will der Gewerkschaftsvorsitzende die Katastrophe von Rana Plaza nicht verstanden wissen. »Ein Weckruf war der Unfall am 27.12.1990 bei Saraka Garments in Dhaka.« Damals waren 27 Arbeiter*innen gestorben, weil in der Fabrik ein Feuer ausgebrochen war, Hunderte wurden verletzt. Rana Plaza dagegen sei die Botschaft, »der Tötung von Arbeiter*innen endlich vorzubeugen«.
Die Näherin Rita Akher Josha erlitt bei dem Unglück eine schwere Wirbelverletzung. »Ich möchte echte Gerechtigkeit für die Freunde, die ich in der Tragödie verloren habe.« Dass kurz vor dem Gedenktag der Fabrikbesitzer Rana gegen Kaution freigelassen wurde, gehört wohl nicht dazu. Am 8. Mai wollen Gewerkschaften vor dem Obersten Gericht in Dhaka dagegen demonstrieren.
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