»Bürger in Wut«: Ein Bremer Unikum – bisher

Eine Kleinpartei will »mit Wut« rechte Politik machen

  • David X. Noack, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Bloß was will er sagen? Der Ex-BKA-Personenschützer Jan Timke, Gründer und Vorsitzender der Wählervereinigung »Bürger in Wut« in Bremen.
Bloß was will er sagen? Der Ex-BKA-Personenschützer Jan Timke, Gründer und Vorsitzender der Wählervereinigung »Bürger in Wut« in Bremen.

Da sie es nicht geschafft hat, sich auf eine Liste zu einigen, darf die Bremer Alternative für Deutschland laut Beschluss des Landeswahlausschusses nicht zu den Bürgerschaftswahlen am 14. Mai antreten. Konkurrierende Landesvorstände hatten zuvor Listen eingereicht und zeigten sich unfähig zur Einigung. Mit grob 80 Mitgliedern gilt der AfD-Landesverband als weitgehend zerfallen.

In die Lücke am rechten Rand stößt eine Kleinpartei vor, die bisher nur in Bremen aktiv ist: Die »Bürger in Wut« (BiW). Sie ging im März 2004 aus den Resten der Schill-Partei hervor. Der Bundespolizist Jan Timke, ein früherer Bremer Landesvorsitzender ebenjener auf »Law and Order«-Themen setzenden Partei, übernahm damals den Vorsitz. Die Schill-Partei hatte zur Bürgerschaftswahl 2003 4,4 Prozent der Stimmen erreicht und lag mit dem Ergebnis vor FDP und DVU, errang jedoch im Gegensatz zu jenen Parteien kein Mandat. Bei den Bürgerschaftswahlen gilt die Fünf-Prozent-Hürde in beiden Städten, die das Bundesland Bremen bilden: Bremen und Bremerhaven an der Nordsee. Über Bremerhaven konnten sich 2003 FDP und DVU jeweils einen Abgeordneten sichern.

Daraus lernten die »Bürger in Wut« und konzentrierten sich zunächst auf Bremerhaven. In ihrem ersten Wahlkampf forderte die Kleinpartei ein eigenes Bremerhavener Autokennzeichen, eine Abspaltung von der Landeshauptstadt und den Anschluss an Niedersachsen. Diese Lokalforderungen kombinierte die Partei mit Themen der inneren Sicherheit und Forderungen für mehr direkte Demokratie. Ähnlich wie andere rechte Parteien macht sie Migranten und Asylbewerber für die hohe Kriminalitätsrate der Stadt verantwortlich. Den Einzug in die Bürgerschaft schaffte die BiW 2007 zunächst nicht, erstritt jedoch gerichtlich eine Neuwahl in einem Stimmbezirk und erreichte so im Sommer 2008 knapp den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

Seitdem sitzt der Vorsitzende Timke kontinuierlich in der Bürgerschaft. Im Jahr 2011 traten die »Bürger in Wut« erstmals auch in der Stadt Bremen an und steigerten ihr Gesamtergebnis deutlich, sackten aber 2015 nach der Etablierung der AfD leicht ab. Zur vergangenen Bürgerschaftswahl 2019 erreichte die AfD 6,1 Prozent und die BiW insgesamt 2,4 Prozent, wobei Letztere 7,4 Prozent in Bremerhaven erhielt. In Umfragen des vergangenen Jahrfünfts kam die BiW nie über 3 Prozent und fiel meist unter »Sonstige«.

Gehversuche der Partei auf Bundes- und EU-Ebene scheiterten. Anfang der 2010er Jahre schloss sich die Partei der EU-weiten Europäischen Allianz für Freiheit (EAF) an. EAF-Mitgliedsparteien waren unter anderem Marine Le Pens Front National (heute Rassemblement National). Der Ausflug auf die Brüsseler Ebene endete nach wenigen Jahren mit der Auflösung der EAF. Bundesweit Aufmerksamkeit erlangte 2007 der BiW-Beitritt des vormaligen FAZ-Politredakteurs Udo Ulfkotte, der jedoch ins verschwörungsmythische Milieu abdriftete. Seit 2015 hat die Kleinpartei ein umfassendes Parteiprogramm mit bundespolitischen Forderungen, aber jenseits von Bremen keinen einzigen Landesverband.

Im aktuellen Wahlkampf erhält die BiW Unterstützung von der rechtskonservativen Kleinpartei »Bündnis Deutschland« (BD), mit der sie nach dem Urnengang auch fusioniert. Die im November vergangenen Jahres gegründete Formation entstand aus einzelnen Aussteigern aus CDU und Freien Wählern und verortet sich zwischen CDU und AfD. Durch Übertritte ist BD bereits im EU-Parlament sowie im bayerischen und im sächsischen Landtag vertreten.

Laut Aussagen des BD-Chefs Walter Münnich unterstützt seine Partei den BiW-Wahlkampf mit einer sechsstelligen Summe. Beim Wahlkampf konzentriert sich das BiW-BD-Bündnis auf den ökonomisch abgehängten Bremer Norden sowie Bremerhaven. Gemeinsam mit den erwarteten Stimmen früherer AfD-Wähler ist der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde in Bremen realistisch. Laut einer Umfrage von Infratest dimap von vergangener Woche kann die Formation auf 6 Prozent der Stimmen im gesamten Bundesland hoffen.

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