- Berlin
- Christian Gaebler
Wohnungsbau nicht mehr Chefinnensache
Christian Gaebler (SPD) wird nächster Bausenator
Es ist in den vergangenen Wochen still geworden um Berlins beliebtesten Senator. Dass Andreas Geisel, den Franziska Giffey (beide SPD) 2021 am liebsten noch »geklont« hätte, nicht mehr zu halten ist, war schon lange klar. Noch in der Opposition forderte die CDU aufgrund des Wahldebakels den Rücktritt des Bausenators, vorherigen Innenressortchefs und wiederum vormaligen Stadtentwicklungssenators. Die Ära Geisel dürfte nun vorerst vorbei sein.
Zum Abschied gibt es von Grünen und Linken noch einen Blumenstrauß. »Eigentlich schade, dass Geisel aufhört. Zu Schwarz-Rot hätte er besser gepasst als zu Rot-Grün-Rot«, bedauert Niklas Schenker. Zielsicher habe sich Geisel in jeder Auseinandersetzung als Opposition in der Regierung verhalten, so der Linke-Wohnungspolitiker zu »nd«. Ob Geisel weiterhin Abgeordneter bleibt oder eventuell in die Wirtschaft wechselt, interessiere sie nicht übermäßig, sagt Grünen-Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger. »Die Immobilienwirtschaft braucht ihn nicht unbedingt, die hat schon genug Drähte in die Politik.«
Bei allen inhaltlichen Differenzen im Ton versöhnlicher sind beide mit Geisels Nachfolger im Amt: Christian Gaebler (auch SPD), der bis dato Staatssekretär unter Geisel, davor Chef der Senatskanzlei und vormalig Staatssekretär sowohl in der Innen- als auch der Stadtentwicklungsverwaltung war. »Auf der persönlichen Ebene kann ich mit ihm gut streiten«, sagt Schmidberger. Der SPD-Parteilinke Mathias Schulz betont die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Gaebler, seitdem Schulz 2021 stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion wurde. »Ich schätze ihn für seine kommunikative Art und sein Detailwissen«, so Schulz zu »nd«. Schulz freue sich auf eine »enge Zusammenarbeit des Senats mit dem Parlament«. Niklas Schenker sagt: »Er hat die Senatsverwaltung sicher im Griff, ist aber anders als Franziska Giffey niemand, der viel Wert auf PR legen dürfte – was dem Amt vielleicht auch ganz gut tun dürfte.«
Das mit der PR hätte auch anders kommen können, wenn Wohnungspolitik für Franziska Giffey weiter Chefinnen- und Herzenssache geblieben wäre. Doch jetzt wird sie Wirtschaftssenatorin, wo nicht zu erwarten ist, dass sie großartige Misserfolge zu vermelden haben wird. »Das zeigt: Wer in der SPD welchen Posten bekommt, ist eine rein machttechnische Entscheidung«, sagt Schmidberger auch mit Blick auf die neuen Staatssekretäre im Stadtentwicklungsressort: Stephan Machulik, eigentlich Verkehrspolitiker und ohne errungenes Mandat, und Alexander Slotty, vormals Bildungsstaatssekretär. Beide sind Unterstützer einer Koalition mit der CDU. Petra Kahlfeldt, die sich in nur einem Jahr einen besonderen Ruf erarbeitet hat, bleibt Senatsbaudirektorin. »Am Ende ist die Spitze auch austauschbar, solange es weiter den Filz in der Verwaltung gibt«, sagt Schmidberger zu »nd«.
Niklas Schenker meint, dass Giffey, nachdem sie bei der Wohnungspolitik »komplett gescheitert« sei, die komplizierten Aufgaben lieber anderen überlasse. »Mit dem Ansatz von CDU und SPD sind schließlich auch keine Erfolge zu erwarten.« Gerade beim Bauen hätte Giffey so wie es derzeit aussieht, einbrechende Neubauzahlen am Ende der Legislaturperiode verkaufen müssen.
Doch auch wenn sie Christian Gaebler persönlich mehr schätzten als seinen Vorgänger, betonen die Wohnungspolitiker von Grünen und Linke, dass er inhaltlich für Kontinuität steht. Die Ernennung von Gaebler verspreche eine Fortsetzung von »Bauen, Bauen, Bauen«, sagt Schenker. »Für stadtpolitische Initiativen dürfte klar sein, dass sie hier keine Zusammenarbeit erwarten dürfen, sondern auf Protest setzen müssen«, so der Linke-Politiker. Katrin Schmidberger glaubt, dass die Bezirke weiter »entmachtet« werden könnten. »Ich fürchte, die Basta-Politik geht einfach weiter.«
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.