DHL-Leiharbeiter kämpfen um ausstehenden Lohn

Eine Gruppe von Leiharbeitern, die bei DHL in der Nähe von Kassel eingesetzt waren, kämpft um ausstehende Gehälter

  • Christian Lelek
  • Lesedauer: 5 Min.
Protest um ausstehende Löhne am 19. April in Göttingen
Protest um ausstehende Löhne am 19. April in Göttingen

»Menschen, die neu nach Deutschland kommen, werden ausgenutzt. Die Arbeitsbedingungen müssen sich ändern.« Das sagt Abdi Ismail. Der 27-Jährige streitet mit 23 seiner ehemaligen, mehrheitlich aus Eritrea und Somalia stammenden Kollegen für Löhne, die ihnen noch nicht bezahlt wurden, wie sie sagen. Zusammen hätten sie für DHL in Staufenberg bei Kassel als Lageristen gearbeitet. Jedoch nicht als direkt beim Mutterkonzern der Deutschen Post AG Angestellte, sondern für ein ausgegründetes Subunternehmen: die DHL Home Delivery GmbH. Dort waren sie indes auch nicht direkt angestellt. Den Arbeitsvertrag hätten sie mit der WorKings GmbH geschlossen – einer Zeitarbeitsfirma, die über einen weiteren Subkontraktor die Arbeiter an DHL Home Delivery verliehen hat, wie die syndikalistische Gewerkschaft FAU Göttingen gegenüber »nd.Der Tag« erklärt. Sie vertritt die Arbeiter bei der Durchsetzung ihrer Forderungen.

Eine Pressesprecherin der FAU Göttingen sagte dem »nd«, dass es insgesamt um rund 100 000 Euro gehe, die man als Forderung gegenüber dem entleihenden Unternehmen WorKings erhebe. Für zwei Mahnverfahren habe man bereits die Vollstreckungsbescheide erhalten. Im Fall von Abdi Ismail hat WorKings hingegen Widerspruch eingelegt, weshalb nun vor dem Arbeitsgericht Göttingen prozessiert wird. WorKings hat allerdings am 19. April die zum zweiten Mal angesetzte Güteverhandlung verschieben lassen. Ein dritter Termin ist nun für den 7. Juli angesetzt.

Ein Statement von dem Unternehmen zu erhalten, gestaltet sich schwierig: Am Montag meldete sich auf Nachfrage zunächst eine Sprecherin von WorKings bei »nd.Der Tag«, fragte nach der Nummer der Gewerkschaft und erklärte, dass man die Vorwürfe ausräumen wolle. Einen Tag später erhielt die Redaktion erneut einen Anruf, diesmal von Rechtsanwalt Thomas Karst, der mitteilte, im Fall von Ismail mandatiert zu sein. Von weiteren Nachfragen bei der Firma WorKings solle abgesehen werden. Er selber könne indes keine Auskunft erteilen, da er soeben erst das Mandat von WorKings übernommen habe. Die Kanzlei von Thomas Karst ist Mitglied in mehreren Interessenverbänden von Arbeitgebern in der Zeitarbeit.

Auch für Abdi Ismail war es schwierig, nach der Arbeitsaufnahme mit seinem Arbeitgeber in Kontakt zu kommen. Die Kommunikation sei per Whatsapp-Gruppenchat gelaufen. Immer wieder habe WorKings gefragt, ob er nicht Freunde mitbringen könne, die gut arbeiten. »2014 bin ich aus Äthiopien nach Deutschland gekommen, bin aber eigentlich somalisch.« Eine Ausbildung habe er begonnen, sie sei für ihn zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Sprachbarriere aber zu schwierig gewesen. Seitdem habe er für viele Zeitarbeitsunternehmen gearbeitet. »Viermal habe ich bei DHL gearbeitet für vier verschiedene Zeitarbeitsfirmen, in drei verschiedenen Lagern am Standort Staufenberg«, so Ismail.

Der Göttinger Soziologe Peter Birke, der zu ähnlichen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie geforscht hat, meint dazu: »Für Geflüchtete sind nach ihrer Ankunft häufig nur bestimmte Arbeitsmarktsegmente zugänglich.« Anfänglich würden widrige Arbeitsbedingungen in Kauf genommen, um weiterzukommen. »Aber oft sind das geschlossene Bereiche, und es geht nicht weiter«, so Birke.

Die Forderungen, die Ismail und seine Kollegen erheben, ergeben sich aus einer Differenz zwischen den Löhnen, die ihre Arbeitsverträge vorsahen, und dem, was sie erhalten haben. Dabei stützen sich die Arbeiter auf handschriftlich notierte Arbeitsstunden. Einsicht in die durch WorKings erfolgte Arbeitszeiterfassung wird ihnen vorenthalten. Abgesehen davon sei die Arbeit gut gewesen, sagen die Betroffenen. Allerdings hätten sie länger arbeiten müssen und weniger verdient als ihre direkt bei DHL angestellten Kollegen.

Möglicherweise würde sich auch daraus weiterer Lohnanspruch ergeben: Professor Wolfgang Däubler hat sich als Arbeitsrechtler an der Universität Bremen intensiv mit Leiharbeit beschäftigt. Ihm zufolge gelte für den Einsatz von Leiharbeit: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder auch Equal Pay. Däubler meint: »Davon kann mittels Tarifvertrag abgewichen werden, sofern eine angemessene Kompensation in anderen Bereichen wie zum Beispiel Arbeitszeit oder Urlaub erfolgt.« Tarifverträge der Leiharbeitsbranche sähen eine solche Kompensation aber nicht vor. Vielmehr würde sie Leiharbeiter schlechterstellen. »Wenn man feststellt, dass ein Tarifvertrag keine Kompensation enthält, widerspricht dies dem Equal-Pay-Grundsatz.« Man könne dann die gleiche Vergütung verlangen, die die Stammbeschäftigten erhalten, so Däubler.

Von der Deutschen Post DHL Group ging bei »nd« bis zum Redaktionsschluss keine detaillierte Antwort ein, man werde den Fall aber selbstverständlich umgehend prüfen. Peter Birke meint indes: »Gewisse Konzerne mit einer legalen Aura nutzen systematisch kleine oder große Leiharbeitsunternehmen, und wenn was passiert, sich Leute beschweren oder die Presse schreibt, dann wird oft gesagt: Das wussten wir nicht. Und häufig werden dann die Verträge auch beendet.«

Das Besondere im vorliegenden Fall sei, dass sich die Betroffenen zusammenschließen und organisiert artikulieren. Diese stellten bei einer Kundgebung am vergangenen Mittwoch klar, dass es nicht allein um systematischen Lohnbetrug gehe, sondern auch um Rassismus. »Wir werden ausgebeutet, um ein System am Laufen zu halten, das auf maximalem Gewinn basiert und sich nicht nur auf die WorKings GmbH beschränkt. Auch DHL profitiert durch ein bewusstes Einsetzen von undurchsichtigen Subunternehmen«, hieß es in einem dort verlesenen Statement. 

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