Covid: Impfen mit und ohne Empfehlung

Die Ständige Impfkommission will die Regeln für Corona-Impfungen ändern: Die meisten Menschen bräuchten demnach keine Auffrischung mehr

  • Kirsten Achtelik
  • Lesedauer: 3 Min.
Bald für manche nur noch schwierig zu bekommen: der Piks gegen die Ansteckung mit Covid.
Bald für manche nur noch schwierig zu bekommen: der Piks gegen die Ansteckung mit Covid.

Auch für die Ständige Impfkommission (Stiko) scheint die Corona-Pandemie vorbei: In einer in dieser Woche veröffentlichten Empfehlung wird die Dringlichkeit einer Impfung stark eingeschränkt. Damit sind viele nicht zufrieden.

Für nicht vorerkrankte Kinder und Jugendliche sieht die Stiko gar keine Notwendigkeit zur Impfung mehr, für nicht vorerkrankte Erwachsene reiche eine »Basisimmunität«, bestehend aus zweifacher Grundimmunisierung mit einem Booster oder einer Infektion. Nur für über 60-Jährige, Personen mit »relevanten Grunderkrankungen«, Heimbewohner*innen sowie für medizinisches und pflegerisches Personal empfiehlt die Stiko eine jährliche Impfauffrischung.

Weiterhin sei das Ziel, »schwere Covid-19-Verläufe zu verhindern, mögliche Langzeitfolgen von Sars-CoV-2-Infektionen in der gesamten Bevölkerung so weit wie möglich zu reduzieren sowie Beschäftigte in der medizinischen und pflegerischen Versorgung vor Sars-CoV-2-Infektionen zu schützen«, heißt es in der Veröffentlichung der Kommission. Sie begründet den Schritt mit der »Seltenheit schwerer Verläufe« bei Minderjährigen ohne Vorerkrankung. Die potenziellen Langzeitfolgen der Infektion wie Long Covid und Post Covid seien kein Argument für eine höhere Impffrequenz, da das Risiko gesunken sei und auch durch die Impfung nicht komplett verschwinde.

Bundesländer und Fachverbände können nun Stellung nehmen, bedeutende Änderungen werden jedoch nicht mehr erwartet. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach twitterte zufrieden, die Empfehlung sei »eine gute Grundlage, die Bevölkerung vor den Folgen weiterer Covid-Infektionen zu schützen«.

Doch vor allem die Rücknahme der Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche löste heftige Empörung aus. Immerhin sagte der Immunologe Carsten Watzl bei der Vorstellung, dies bedeute kein Verbot, Kinder und Jugendliche zu impfen: Manche Ärzt*innen legten fehlende Impfempfehlungen fälschlicherweise so aus, dass nicht geimpft werden dürfe. Bisher empfahl die Stiko für nicht vorerkrankte Fünf- bis Elfjährige eine Impfstoffdosis, für 12- bis 17-Jährige eine Grundimmunisierung und eine Auffrischimpfung. Für jüngere Kinder und für weitergehende Auffrischungsimpfungen ist ein Netzwerk entstanden, das Ärzt*innen weitervermittelt, die sich nicht strikt an diese Vorgaben halten. Mehr als vorher kommt es nun also auch für Erwachsene darauf an, gute Ärzt*innen zu haben.

Die Rücknahme der Empfehlungen für Kinder wird nun von Impfgegner*innen zum Anlass genommen, die vorherige Empfehlung als falsch und gefährlich darzustellen. Sie fühlen sich durch diese Veröffentlichung bestätigt; Eltern wird so Angst und ein schlechtes Gewissen gemacht.

An der Empfehlung der Stiko orientiert sich der Anspruch auf eine kostenlose Impfung. Laut Bundesverordnung sind Impfungen auf Kassenkosten darüber hinaus weiterhin möglich, wenn ein*e Ärzt*in es für medizinisch erforderlich hält. Allerdings ist die Kassenvergütung nach dem Auslaufen der Krisenregeln noch nicht in allen Bundesländern sichergestellt. Hier bekommen Patient*innen eine Privatrechnung, die sie zur Erstattung bei ihrer Krankenkasse einreichen müssen.

Gegensätzlich zu den Entwicklungen in Deutschland empfiehlt die Europäische Impfkommission weiterhin die Impfung von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Älteren. Die US-amerikanische CDC hat ihre Impfhinweise in der vergangenen Woche ebenfalls angepasst – ältere und immunschwache Erwachsene sollen sich hier sogar einen zweiten Booster mit den mittlerweile auf die Omikron-Varianten angepassten Impfstoffen besorgen. Für alle Menschen über sechs Jahre empfiehlt die Behörde eine Impfung mit dem angepassten Wirkstoff, unabhängig vom bisherigen Impfstatus.

Warum die Kommission das Long-Covid-Risiko bei der Impfempfehlung für irrelevant hält, bleibt unklar. Allein in Europa sind mittlerweile schätzungsweise 20 Millionen Menschen betroffen. Im Durchschnitt bekommen bis zu zehn Prozent der Infizierten längerfristige und schwer behandelbare Probleme. Eine große Metaanalyse verschiedener Studien, die im vergangenen Monat in Großbritannien veröffentlicht wurde, zeigte eine Reduktion des Risikos nach einer Immunisierung mit zwei Impfdosen um 43 Prozent. Diesen Schutz soll es in Deutschland für nicht vorerkrankte Kinder in Zukunft nicht mehr geben.

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