• Sport
  • Regionalliga Nordost

Zoff unter Fußballfans: Energie Cottbus gegen den BFC Dynamo

Auf dem Platz geht es um Punkte, unter den Fanlagern um eine Machtfrage

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Gruppe »Ultras BFC« hat sich nach elf Jahren aufgelöst – nachdem ihre Fanuntensilien geklaut wurden.
Die Gruppe »Ultras BFC« hat sich nach elf Jahren aufgelöst – nachdem ihre Fanuntensilien geklaut wurden.

Jauchzet und frohlocket, ihr Kinder des Mais. Knietief im Frühling haben wir Fußballnarren in den nächsten Wochen die ewige Wiederkehr der Qual der Wahl. Bleiben wir in den heimischen Gefilden und beobachten, ob Cottbus oder die Mannschaft aus der Thüringer Landeshauptstadt das Rennen in der Regionalliga Nordost macht? Cottbus muss an diesem Dienstag daheim gegen den BFC Dynamo gewinnen, um sich den Erfurter Rivalen vom Leib zu halten, der am Wochenende seine Siegespflicht erfüllte. 

Das Spiel gegen den BFC steht unter keinem guten Stern. Im Januar wurden die heiligen Fahnen und Doppelhalter der »Ultras BFC« von einer unbekannten Gruppe erbeutet. Das heißt, eine einzelne Person wurde in Berlin von einer Gruppe überfallen, verprügelt und der Utensilien beraubt. Besonders uncool an dieser unrühmlichen Nummer, der Mensch war ein Mitarbeiter im Berliner Fanprojekt. Er gehört somit einer Fraktion an, die bisher als unantastbar galt, weil Fanprojektler sich als Sozialarbeiter nicht um die Belange der Vereine, sondern der Fans kümmern und in einem geschützten Raum agieren. 

Nach dem Überfall mehrten sich die Hinweise, Ultras aus Cottbus wären für den Überfall verantwortlich. Die BFC-Fans reagierten: »Diese Tat wird nicht ungesühnt bleiben! … um die Täter und ihre gesamte feige Szene mit aller Härte zu bestrafen«.

Das tönt nicht wirklich nach einem friedlichen Spiel. Zudem Cottbus auf der DFB-Liste der Bösewichter an der Spitze steht und gegen den BFC Dynamo unter Bewährungsauflagen spielt. Zuschauerausschluss und harte Geldstrafen drohen. Sollten Cottbuser BFC-Utensilien zeigen, wird die Polizei in den Cottbus-Block gehen. Es wundert also nicht, dass der FC Energie »Zaunfahnen, kleine(n) und große(n) Fahnen, Doppelhalter und choreografische Mittel« für dieses Spiel komplett verboten hat – um den Horror eines Spielabbruchs abwenden. 

Es bleibt spannend, welche Gruppen die Partie zum Anlass nehmen, um alte Rechnungen zu begleichen oder neue aufzumachen. Ein am Montag auf Facebook veröffentlichtes Video hat die Situation verschärft. Dort ist zu sehen, wie Unbekannte in der leeren Spielstätte des BFC etwas verbrennen. Dynamo-Fans sollen die Reste als ihre Fahnen und Banner identifiziert haben. Sollte das stimmen, wäre das eine zusätzliche Provokation, die für das Spiel nichts Gutes erahnen lässt.

Ich wünsche mir ein geiles Spiel ohne Nebengeräusche. Für Krawall und Remmidemmi gibt es bessere Orte als ein Stadion. Wenn es knallt und Cottbus trotzdem Meister der Regionalliga Nordost wird, spielt die Gurkentruppe möglicherweise ihre Aufstiegsrelegation unter Ausschluss der eigenen Zuschauer. Dümmer ginge es wirklich nicht. Was aber, wenn einer kleinen Gruppe Idioten die eigenen Interessen wichtiger sind als die des heiß geliebten Vereins? Ich bin kein ausgewiesener Cottbus-Fan, stehe aber auf der Seite der fairen Sportsmänner und Sportsfrauen. 

Wenn euch das alles zu gedönsig ist, bleibt der Weg nach Prag. Klar wird dort auch geschubst, wenn man in die falsche Straßenbahn einsteigt. Wer aber einigermaßen blickig und respektvoll vorgeht, kann in den nächsten Wochen schöne Derbys in der fünf Spieltage andauernden Finalrunde der tschechischen Meisterschaft erleben. Neben den Dauerrivalen Sparta und Slavia hat es nach Ewigkeiten auch Bohemians Prag in den Kreis der sechs Finalisten geschafft. In einer einfachen Runde wird der Meister ermittelt: Es ist spannend wie nie, das Bier ist Weltklasse, der Tartar einmalig, mehr geht nicht.

Oder vielleicht doch? Auch in Rumänien, Bulgarien – ach was, im gesamten Fußballosten treiben die Knospen aus und erregende Spiele locken uns überhitzte Reisefreudige, bevor uns der Frühsommer mit öden Spielen der entbehrlichen Nationalmannschaft dengelt und wir abenteuerhungrig auf den Spätsommer warten müssen, wenn endlich wieder der Ball in den Ligen unseres Herzens rollt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!