- Politik
- Wohnungspolitik
Nach dem Pfusch am Bau einfach mal Bock auf Erfolg
Das Bundesbauministerium sucht rechtzeitig vor der nächsten Wahl nach Schuldigen für die Wohnungsmisere
Es scheint, als würde sich im Bundesbauministerium ob der anhaltend schlechten Nachrichten vom Wohnungsmarkt langsam Nervosität breitmachen. Hier ein Vorschlag zur »Nachverdichtung« in den Städten, dort eine Liebeserklärung an das preisgünstige Leben auf dem Lande. Hier ein Seitenhieb auf die mangelnde Produktivität der Bauindustrie, dort einer auf deren fehlende Innovationsfähigkeit. Hier eine Kampfansage an die Indexmieten, dort die Ankündigung eines Programms für günstigere Wohnmöglichkeiten für Studierende. Kurz: Es vergeht kaum ein Tag, an dem das Bauministerium nicht eine neue Sau durchs Dorf treibt, was offenbar den Eindruck rastloser Aktivität vermitteln soll.
Dass aus den im Koalitionsvertrag verankerten 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr wohl fast bis zum Ende der Legislaturperiode nichts wird, hat sich auch hier längst herumgesprochen. Den jüngsten Prognosen zufolge könnte es bei der Hälfte bleiben. Zu drängend sind die Forderungen der Unternehmerverbände nach größeren staatlichen Anreizen für den sozialen Wohnungsbau. Auf der anderen Seite stehen die Forderungen von Gewerkschaft und Mieterbund.
Angesichts dessen scheint es, als wolle man schon für die fast sichere negative Bilanz bei der nächsten Bundestagswahl vorsorgen und deutlich machen: Die Schuld liegt auf keinen Fall im Berliner Bauministerium.
Ein Indiz dafür: Die bislang meist freundlich und gelassen wirkende Ministerin Klara Geywitz (SPD) legt sich mit immer mehr Leuten an. Erst vor wenigen Tagen grätschte sie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen dazwischen, als er eine Förderung von Neubauten aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorschlug und damit immerhin auf dem Wohnungsbautag Mitte April bei der Bauwirtschaft vorübergehend für ein bisschen Wohlgefallen sorgte. Nach Informationen der »Berliner Morgenpost« findet Geywitz das gar nicht toll. Zum einen offenbar aus Gründen der ministeriellen Hackordnung, denn sie diktierte den Journalisten plötzlich gar nicht mehr so konziliant in den Block: »Woher das Geld für Bedarf in meinem Ressort kommt, würde ich doch eher mit dem Finanzminister besprechen.« Zum anderen ist die SPD-Politikerin wohl auch inhaltlich nicht von Habecks Idee überzeugt, denn dem wiederum empfiehlt sie, den Gesetzestext zum Stabilisierungsfonds genau zu lesen. Sie bezweifelt, dass dieser für den Wohnungsneubau angezapft werden darf.
Als wäre das nicht schon Streitstoff genug, zeichnet sich seit der vergangenen Woche eine neue »Baustelle« für Geywitz ab. Die Ministerin sorgt offenbar auch innerhalb ihres Dunstkreises in der SPD für Zoff. Sie, die bislang trotz ihrer nachweislichen Mitverantwortung für die Konzepte Habecks in punkto Heizungen erstaunlich trocken unterm Regen wegkam, legt sich nun mit der eigenen Bundestagsfraktion an. Deren Chef Rolf Mützenich will die Förderung beim Heizungstausch nach Einkommen staffeln, Besserverdienende ganz von Zuschüssen ausschließen und allen Hauseigentümern für die Heizungs- und Energieberatung eine kostenfreie Pauschale zukommen lassen, wie er der »Rheinischen Post« erläuterte.
Geywitz fuhr dem Genossen daraufhin, ebenfalls via Presse, in die Parade. Man wolle, dass alle Bürger »schnell an ihre Förderung für die Heizung kommen«. Prüfe man aber Einkommen und Vermögen, bräuchte man dafür eine Behörde. Und das dauere. So recht die Ministerin mit ihren Einwänden haben mag, was das Tempo der Heizungsumstellung betrifft: Immer wieder wird die Forderung nach sozialer Punktgenauigkeit mit solchen Argumenten vom Tisch gewischt, und am Ende regiert einmal mehr das Gießkannenprinzip.
Selbst Habeck zeigt sich – bis auf das Einbauverbot für neue Öl- und Gasheizungen an sich – kompromissbereiter in Sachen Einkommensgrenze als seine Kollegin von der Sozialdemokratie. Aber mit dem scheint Geywitz ohnehin überkreuz zu liegen. Oder sie hat einfach mal Bock, doch noch etwas auf die Reihe zu bekommen. Einkommensgrenzen hin oder her.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.