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Deutschland: Ärzte im Ausstand
Marburger Bund streikt für Lohnerhöhungen
An den Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft herrschte am Dienstag vielerorts nur Notbetrieb. Planbare Eingriffe wurden daher teilweise verschoben. Der Grund: Die Gewerkschaft Marburger Bund, welche die angestellten und verbeamteten Krankenhaus- und Klinikärzt*innen vertritt, hatte zu einem bundesweiten Warnstreik aufgerufen. Damit wollten die Ärzt*innen in den laufenden Tarifauseinandersetzungen Druck auf die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ausüben. Berlin blieb davon unberührt, da hier ein eigener Tarifvertrag gilt.
Allein an der zentralen Streikkundgebung in Frankfurt am Main beteiligten sich laut Gewerkschaftsangaben rund 5000 Ärzt*innen. Insgesamt spricht der Marburger Bund von etwa 10 000 Streikenden, darunter 1500 in Hamburg. Zuletzt hatte die Gewerkschaft Ende März zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen.
»Wir kämpfen für unseren Beruf, wir lassen uns aber nicht verheizen. Die Arbeitgeber sollten sich ganz schnell den Gedanken aus dem Kopf schlagen, auf dem Rücken der Ärztinnen und Ärzte sparen zu können. Damit werden sie bei uns immer wieder vor eine Wand laufen und den Konflikt weiter verschärfen«, sagte Susanne Johna, erste Vorsitzende des Marburger Bundes, bei der Streikkundgebung in Frankfurt.
In den derzeitigen Tarifauseinandersetzungen fordert die Fachgewerkschaft eine rückwirkende Lohnerhöhung um 2,5 Prozent ab dem 1. Januar 2023. Darüber hinaus will man für die rund 55 000 Ärzt*innen der kommunalen Kliniken einen Inflationsausgleich für die Zeit seit Oktober 2021 erreichen, als es die letzten Entgelterhöhungen gegeben hatte. Die VKA spricht hingegen von 60 000 betroffenen Beschäftigten.
Im Gegensatz zu anderen Klinikbeschäftigten fallen die Ärzt*innen nicht unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. In dessen Geltungsbereich war es im April zu einer Einigung im Tarifstreit gekommen. 2005 hatte der Marburger Bund die Tarifgemeinschaft mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgekündigt. Seither verhandelt er eigene Tarifverträge.
»Die Ärztinnen und Ärzte in den kommunalen Krankenhäusern sind es leid, von den Arbeitgebern immer wieder hingehalten zu werden. Sie erwarten ein faires Angebot, das ihrer hohen Arbeitsbelastung entspricht und die Preissteigerungen seit der letzten Gehaltserhöhung berücksichtigt«, sagte Christian Twardy, Verhandlungsführer des Marburger Bundes. In den bisherigen vier Verhandlungsrunden habe die VKA kein konkretes Angebot vorgelegt und eine lineare Erhöhung der Entgelte erst ab frühestens 2024 in Erwägung gezogen.
Die VKA lehnt die Forderungen als überzogen ab. Auch hatten die Arbeitgeber vorab Unverständnis über den Streikaufruf geäußert. Man habe in der letzten Verhandlungsrunde deutliche Fortschritte erzielen können und befinde sich auf der Zielgeraden, hieß es hierzu vom VKA-Verhandlungsführer Wolfgang Heyl. »Wir haben eine Inflationsausgleichszahlung in Höhe von 3000 Euro und eine beträchtliche Entgelterhöhung in Aussicht gestellt. Jetzt ist es an der Gewerkschaft, Nägel mit Köpfen zu machen«. Warnstreiks hälfen dabei nicht und gingen zudem zulasten der Patienten. Dies sei unnötig und unverhältnismäßig, so Heyl.
Ob die nunmehr fünfte Verhandlungsrunde zu einer Einigung führt, bleibt offen. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 22. Mai anberaumt. »Beim nächsten Mal ist die letzte Chance, auf einem normalen Weg zu einer Einigung zu kommen«, sagte Andreas Botzlar, zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes auf der Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg. Falls dies misslinge, müssten eine Urabstimmung und dann ein Erzwingungsstreik folgen.
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