• Politik
  • Gleichstellung der Geschlechter

OECD: Benachteiligung von Frauen schadet der Wirtschaft

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fordert ein politisches Mainstreaming-Konzept für die Gleichstellung der Geschlechter

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 4 Min.
Für Frauen in OECD-Staaten ist es um 30 Prozent weniger wahrscheinlich als für Männer, ein neues Unternehmen zu gründen oder zu leiten.
Für Frauen in OECD-Staaten ist es um 30 Prozent weniger wahrscheinlich als für Männer, ein neues Unternehmen zu gründen oder zu leiten.

In keinem der 38 Staaten, die sich in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengeschlossen haben, ist der mittlere Verdienst von Männern und Frauen auf dem gleichen Niveau. Und das, obwohl in der Europäischen Union seit 1957 der Grundsatz der gleichen Bezahlung von Männern und Frauen gilt. Diesen fundamentalen, wenn auch nicht überraschenden Fakt nahm die OECD zum Anlass, ihre Mitgliedstaaten daran zu erinnern, tiefgreifende politische Maßnahmen für die Gleichstellung der Geschlechter zu ergreifen: »Die OECD hat die Gleichstellung der Geschlechter ganz oben auf ihre Agenda gesetzt«, heißt es in dem Bericht »Kräfte bündeln für die Gleichstellung – Was hält uns zurück?«, der am Dienstag in Paris vorgestellt wurde.

Trotz vielfältiger Fortschritte – so nehmen heute etwa mehr Väter Elternzeit als noch vor wenigen Jahren und die Teilhabe von Frauen in Entscheidungsgremien sei gestiegen – existieren Ungleichheiten der Geschlechter global und in allen Lebensbereichen, erklärte Ulrik Vestergaard Knudsen, stellvertretender Generalsekretär der OECD, in seinen einleitenden Worten.

Auch wenn Mädchen und junge Frauen heute ein höheres Bildungsniveau haben, ist bei Männern nach wie vor mit höherer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sie erwerbstätig sind, im Durchschnitt mehr verdienen, Entscheidungspositionen im öffentlichen und privaten Sektor einnehmen und unternehmerisch tätig sind als bei Frauen, heißt es in der Studie. Frauen verbringen demzufolge unverhältnismäßig viel Zeit mit unbezahlter Pflege oder Hausarbeit, was ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt einschränkt. Weniger Wochenarbeitsstunden, erschwerte Aufstiegschancen und die Aufteilung in klare Männer- und Frauendomänen haben demnach zur Folge, dass Frauen weiterhin weniger verdienen als Männer. Das führe dazu, dass Frauen weniger Vermögen aufbauen können und schlechtere Renten haben werden.

Das sei nicht nur schlecht für die Frauen. Die OECD-Vertreter*innen betonen, dass die Gender-Ungleichheit für die Länder einen konkreten ökonomischen Nachteil bedeute. »Die Beseitigung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten ist nicht nur eine Frage der eigenen Werte und ein moralischer Imperativ. Sie kann auch Wachstum, Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und die Nachhaltigkeit der Volkswirtschaften verbessern«, heißt es in dem Bericht. Wenn man die Lücken bei Erwerbsbeteiligung und Arbeitszeiten schließe, könnte bis 2060 das Bruttoinlandsprodukt in allen OECD-Ländern durchschnittlich um 9,2 Prozent steigen.

Die Krisen der vergangenen Jahre – Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation – hätten die Lage sogar noch verschlechtert. Frauen arbeiteten demnach überdurchschnittlich häufig in Bereichen, die von der Pandemie besonders negativ betroffen waren, übernahmen einen Großteil der zusätzlichen Betreuungsarbeit, und da sie in der Regel ein niedrigeres Einkommen hätten, seien sie auch eher von Armut durch steigende Preise betroffen. Geflüchtete Frauen könnten zudem unter einer »dreifachen Benachteiligung« leiden, da sich die mit dem Geschlecht, dem Status der Migrantin und der Flucht verbundenen Herausforderungen gegenseitig verstärken.

Oberste Priorität in allen OECD-Staaten habe es, die Gewalt gegen Frauen zu beenden. Für die Organisation steht fest, dass die Gleichstellung der Geschlechter nicht durch isolierte Ansätze erreicht werden kann. »Echte Fortschritte sind nur möglich durch ein politisches Mainstreaming-Konzept, das die vielfältigen Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen der Gleichstellung der Geschlechter und einer ganzen Reihe von sozioökonomischen, geografischen,
institutionellen sowie politischen Faktoren und Akteuren in den Blick nimmt.

Dazu zählen unter anderem eine gleichmäßigere Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, leichter zugängliche und erschwingliche frühkindliche Bildung und Betreuung, wirksame flexible Arbeitsregelungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gleichstellung von Frauen und Männern im Unternehmertum sowie die Präsenz von Frauen in öffentlichen Führungspositionen und in der Politik. Entscheidend sei es außerdem, weiterhin Daten zur Ungleichheit zu erheben.

Kommentar Seite 8

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