Karstadt: Luftschloss am Leopoldplatz

Vier Architekturbüros haben ihre Entwürfe für den Umbau von Karstadt im Wedding vorgestellt

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.
Alles muss raus: Auch das alte Warenhaus selbst will Signa nicht mehr.
Alles muss raus: Auch das alte Warenhaus selbst will Signa nicht mehr.

Am Mittwochabend ist es soweit: Das Wettbewerbsverfahren für die Umgestaltung des Karstadt-Gebäudes an der Müllerstraße im Wedding endet. In einer finalen Gremiensitzung wird über die Entwürfe von vier Architekturbüros entschieden. Eine Entscheidung liegt zwar bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor. Am Vorabend konnten sich Anwohner und Beschäftigte aber bereits ein Bild von den unterschiedlichen Ideen für die Zukunft des Warenhauses am Leopoldplatz machen.

Wie bereits beim ersten Beteiligungsformat Ende Dezember waren wieder über 100 Interessierte in das Restaurant der Karstadt-Filiale gekommen. Klar ist: Die Zukunft des Warenhauses bewegt den Kiez. »Für uns ist die Müllerstraße die große Magistrale im Wedding. Sehr viel Einzelhandel hängt daran«, begrüßte Ephraim Gothe (SPD) am Dienstagsabend. Es gehe darum, das sanierungsbedürftige Warenhaus »in die Zukunft« zu führen, so der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Mitte.

Doch um ein Warenhaus allein geht es hier nicht mehr. Da haben auch die Architekten wenig Spielraum. Anfang 2024 läuft der Mietvertrag mit der Grundstückseigentümerin aus. Der österreichische Signa-Konzern steigt dann zur Hälfte als Eigentümer ein und will das Warenhaus zu einer »Mix-Use-Immobilie« umbauen. Vor allem Bürofläche soll entstehen, dazu Wohnungen, und mit 2000 Quadratmetern soll ein kleiner Flächenanteil dem Gemeinwohl dienen – was kritische Stimmen bisher oft als Feigenblatt sahen. Schon bei der ersten Beteiligungsveranstaltung betonte Achim Nelke, Projektleiter bei Signa, der Umbau sei ein »Investment« in die Zukunft. Seine Aussage reiht sich ein in die nicht ganz von der Hand zu weisende Erzählung, dass das klassische Warenhaus der Vergangenheit angehört. Der Betriebsrat betonte allerdings wiederholt, dass am Leopoldplatz keine roten Zahlen geschrieben würden.

Für Signas Zukunft müssen in der Gegenwart die Angestellten zahlen. Der Standort in der Müllerstraße ist neben dem in der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg einer der beiden in Berlin, die die zu Signa gehörende Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof im Januar 2024 schließen will. Bezirksstadtrat Gothe will einen Aufschub um ein Jahr erreichen. Für die Angestellten in den umzubauenden Standorten fordert Verdi eine Weiterbeschäftigung in anderen Filialen sowie ein Rückkehrrecht nach Fertigstellung. Bis zu dieser wird es aber noch lange dauern. Das Bebauungsplanverfahren steht noch aus, es dürfte zwei Jahre dauern. Und dann muss ja auch noch gebaut werden. Zwar wollen alle vier Architekturbüros den Sockel des Gebäudes mehr oder weniger stehen lassen und aufstocken. Dennoch ist sowohl außen als auch innen ein Komplettumbau vorgesehen. Im schlimmsten Fall steht dieser »Anker« im Wedding über drei Jahre leer.

Kann man das Warenhaus nicht im Betrieb umbauen, zumal mit den Architekten von Grüntuch Ernst auch ein Büro vertreten ist, das beispielsweise den Chemnitzer Hauptbahnhof im Betrieb umbaute? Fragt man bei den vier Büros nach, erhält man die Antwort, es gehe mal mehr, mal weniger mit den vorgeschlagenen Entwürfen. Man könne die Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten, bei einem Teil der Bauarbeiten sei eine gleichzeitige Nutzung aber möglich, sagen die einen. Die anderen sagen, dass das natürlich teurer würde. Ein Team muss schmunzeln: Ja, das würde man am liebsten machen, das sei aber sicherlich nicht vom Bauherren gewollt.

Der Bauherr Signa ist es am Ende auch, der zusammen mit dem siegreichen Büro den Entwurf weiter bearbeiten wird. Heißt: So grün wie alle Entwürfe daherkommen, dürfte es am Ende nicht aussehen. Auch auf den ersten Entwürfen für Signas Neubau am ehemaligen Galeria-Standort Ostbahnhof war zunächst ein grünes Dach zu sehen. Dann sah man Entwürfe mit grünen Balkonen. Seit 2021 steht dort ein gläserner Bürokasten. Jasper Architects, die den »UP!« mitplanten, würden mit ihrem modernen Entwurf gern gläserne Boxen an dem umgebauten Warenhaus am Leopoldplatz anbringen. Dort soll die Gemeinwohlnutzung einziehen. Der Entwurf schreit förmlich danach, die Blicke auf die »Gemeinwohlflächen« zu lenken, obwohl hier vor allem Bürofläche entstehen soll.

»Das sieht aus wie am Ostbahnhof«, sagt hingegen einer der interessierten Anwohner bei der Vorstellung am Mittwochabend zum Entwurf von Baumschlager Eberle. Beim dritten Büro im Wettbewerb, White Arkitekter, sind die Rundbögen am auffälligsten, die die Zugänge zum Standort herausstellen sollen. Laut der Feedback-Tafel gefällt dies einigen Anwohnern. Wenngleich Rundbögen mittlerweile wieder häufiger anzutreffen sind, dürften sie dennoch bei anderen Beklemmungen auslösen, gerade wenn sie wie vorgeschlagen zwei Geschosse groß werden sollen. Mit der modernen Architektur verschwand die Form eine Zeit lang. Man braucht sie nicht mehr für die Stabilität und funktionslosen Elementen haftet schnell etwas Rückwärtsgewandtes an. Auf den ersten Blick überzeugt deshalb am ehesten der Entwurf des Büros Grüntuch Ernst, dessen Neubau eine sehr ähnliche Struktur wie bisher vorsieht und sich ohne viel Aufsehen in die Umgebung einfügt.

Signa und das Büro, das die Dialogveranstaltungen durchführt, geben sich viel Mühe, den Anwohnern zu vermitteln, es komme auch auf sie an. Alle Anregungen würden in die Entscheidung einfließen. Die mit Kugeln zu füllenden Zylinder für jedes Architekturbüro sollen ein bisschen Demokratie simulieren. Schon bei der vergangenen Beteiligungsveranstaltung hatten sich allerdings viele gegen das Gros an Büroflächen und für eine vorrangige Gemeinwohlnutzung ausgesprochen. Wenn es um Geld geht, hört Mitbestimmung jedoch bekanntlich auf.

Zumindest gibt es bei Signas Beteiligungszeremonie ein Buffet. In der kleinen Schlange im Restaurant im Warenhaus am Leopoldplatz sagt eine der hier Beschäftigten zu den Entwürfen: »Sieht ja alles sehr schick aus, aber mal abwarten, was dabei herauskommt.«

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