Schulen in Berlin: Krise als Dauerzustand

Von Lehrkräftemangel bis Bund-Länder-Konflikt: Auf die neue Senatorin kommt einiges zu

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Die neue Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat noch acht Monate als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) vor sich – wenig Zeit, um zahlreiche Krisen und Konflikte in Angriff zu nehmen: Lehrkräftemangel, Digitalisierung, Differenzen mit dem Bund. Zunächst einmal will Günther-Wünsch das Schwerpunktthema ihrer Vorgängerin Astrid-Sabine Busse (SPD), die Qualität von Ganztagsschulen, beibehalten, wie sie in einem ersten Pressegespräch am Mittwochnachmittag erklärte.

Ihr »Kerngeschäft« sehe sie aber genauso in der Bekämpfung des Lehrkräftemangels. »Theoretisch müsste jeder vierte bis fünfte Abiturient Lehramt studieren. Aber das ist unrealistisch«, sagt sie mit Blick auf mangelnde Bewerber*innen um ein Lehramtsstudium und eine hohe Abbruchquote vor allem im Grundschullehramt. Das Studium müsse reformiert und attraktiver werden.

Außerdem will Günther-Wünsch sich dafür einsetzen, auch Lehrkräfte zuzulassen, die nur ein Fach unterrichten, da der Beruf viele geeignete Quereinsteiger*innen abschrecke, wenn sie zuerst noch jahrelang ein Fach nachstudieren müssten. Der akademische Abschluss und pädagogische Fortbildungen sollten jedoch Voraussetzung bleiben.

Weiteres Potenzial sieht die Senatorin bei Bewerber*innen aus dem Ausland. Die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse »müssen schneller gehen«, betont sie. Vorstellbar sei auch, Lehrkräfte mit einem geringeren als dem C2-Sprachniveau anzustellen. Ausschließen will Günther-Wünsch aber, »dass wir in Berlin Teilzeitarbeit streichen und die Leute in die Vollbeschäftigung zwingen«. Sie bevorzuge Anreize im Bildungssystem.

Als KMK-Präsidentin sei ihr eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern besonders wichtig. Hinsichtlich des Startchancen-Programms, das zehn Jahre lang bundesweit 4000 Brennpunktschulen fördern soll, habe das zuletzt weniger gut funktioniert. Die 16 Bundesländer hätten sich untereinander bereits auf ein gemeinsames Eckpunktepapier geeinigt. Doch anstatt darauf zu reagieren, habe der Bund einfach ein eigenes Papier vorgelegt.

»Auch bei den Inhalten gibt es da jetzt erheblichen Diskussionsbedarf. Die Verhandlungen sind stark optimierungsbedürftig«, wie Torsten Kühne es ausdrückt, Staatssekretär für Schulbau und Schuldigitalisierung. Günther-Wünsch habe jedoch bereits mit der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gesprochen und hoffe, die »verschnupfte Stimmung« zwischen Bund und Ländern lösen zu können, denn »wir brauchen das Startchancen-Programm«.

Ein weiteres Thema der kommenden Monate wird der »Digitalpakt 2.0« sein. Im Rahmen des ersten »Digitalpakts Schule« fließen fünf Milliarden Euro in Grundlagen, konkret spricht Kühne von den »baulichen Voraussetzungen«. Dieses Programm laufe 2024 aus »und wir brauchen dringend eine Anschlussfinanzierung«, so Kühne.

Dieser Digitalpakt müsse im kommenden Bundeshaushalt berücksichtigt werden. Bislang werde aber immer noch über Grundsatzfragen diskutiert. Den Vorwurf, der Großteil des Budgets aus dem ersten Digitalpakt sei noch gar nicht ausgeschöpft, weist die Bildungsverwaltung zurück. »Für Berlin haben wir die Mittel genutzt«, sagt Kühne, unter anderem für IT-Administration.

Angesprochen auf die rechtsextremen Vorfälle an Schulen wie zuletzt in Brandenburg, reagiert Günther-Wünsch abwehrend. »Ich kenne bislang nur Einzelfälle und bei denen haben die Strukturen alle gegriffen«, erklärt sie. In den meisten Ländern, darunter in Berlin und Brandenburg, gebe es klare Vorkehrungen, um mit solchen Fällen umzugehen.

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