- Politik
- Nachwuchskräfte der Polizei
Eine deutsche Symphonie
Die Berliner Polizei vereidigt ihre Neuen in der Philharmonie
»›Ich schwöre!‹ hallte es heute durch die Philharmonie, wo knapp 600 unserer Nachwuchskräfte vereidigt wurden. Auch unsere Polizeipräsidentin und das Polizeiorchester feierten diesen besonderes [sic!] Anlass gebührend mit.« Diese frohe Nachricht twitterte die Berliner Polizei am 8. Mai 2023. So beging man also dieses Jahr in einer der wichtigsten Kulturinstitutionen Deutschlands den Tag, an dem das vorherige Deutschland endlich kapitulierte, womit die Welt vom Nationalsozialismus befreit und der Zweite Weltkrieg beendet wurde. Nebenbei gesagt: Dies hätte natürlich niemals stattfinden können ohne die Sowjetunion – eine Tatsache, deren Andenken von Berliner Polizist*innen in Kollaboration mit dem Oberverwaltungsgericht tags darauf am Sowjetischen Ehrenmal nach Kräften unterbunden wurde: Nicht allein russische, sondern auch sowjetische Fahnen waren verboten, selbst ROTE JACKEN konfiszierte die Polizei. Vielleicht waren bei dem Spaß auch schon einige der »Nachwuchskräfte« aus der Philharmonie dabei!
Jedenfalls findet sich bei solch wichtigen Anlässen wie der Vereidigung seines bewaffneten Armes selbstverständlich auch hohes Staatspersonal ein, um den gewalttätigen Charakter der polizeilichen Aufgaben in schöne Worte zu verpacken. Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik etwa band ihren Kolleg*innen im vergangenen Jahr, als das staatliche Spektakel erstmals in der Philharmonie stattfand, den ideologischen Bären auf, sie seien in einer Gesellschaft tätig, die »sich Regeln für ihr friedliches Miteinander gegeben« habe. Genauer gesagt: »Regeln in Form von Gesetzen, deren Einhaltung Sie später durchsetzen werden«. Warum Menschen offenbar systematisch zur Einhaltung von Regeln gezwungen werden müssen, auf die sie sich doch gemeinsam geeinigt haben, lässt die Oberpolizistin leider offen. Dies fragte sich offenbar auch niemand, denn schon sekundierte Innensenatorin Iris Spranger von der lieben SPD: »Mit dem heutigen Eid auf das Grundgesetz haben die jungen Nachwuchskräfte eine wichtige Aufgabe übernommen: Sie setzen sich für das friedliche Zusammenleben und für unseren Rechtsstaat ein.«
Von der Sozialdemokratie erwartet man ja nun nichts anderes. Durchaus bemerkenswert ist allerdings: Auch Die letzte Generation bezieht sich positiv auf den Rechtsstaat, möchte die Regierung »auf den Boden der Verfassung zurückholen« und meint, dass so die Klimakrise abgewendet werden könne. Hier würde ein wenig Kapitalismuskritik nicht schaden, wodurch nämlich zu erfahren wäre, dass erstens Kapitalismus und Umweltschutz nicht zusammengehen und es zweitens die grundlegendste Aufgabe der deutschen Regierung ist, den Kapitalismus am Laufen zu halten. Hieraus wiederum ließen sich Schlüsse ziehen über Wesen und Funktion des Rechtsstaates. Dass diese Kritik nicht schnöde Theorie ist, zeigt sich übrigens an der massiven Repression, mit der der Staat die Klimaaktivist*innen längst überzieht. Aber keine Sorge, sagt die Innensenatorin: »Dafür bringen die Nachwuchskräfte ihre eigenen Geschichten, ihre unterschiedlichen Biografien und damit die Vielseitigkeit mit, die die Polizei Berlin genauso bunt machen wie unsere Stadt.«
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