- Kultur
- DDR-Punk forever
Beim Bier mit Otze
Ein Songcomic-Buch für Schleimkeim, die bekannteste Punkband der DDR
Die bekannteste Punkband im Osten waren Schleimkeim aus Stotternheim bei Erfurt. Noch vor Feeling B aus Berlin. In Stotternheim wohnte Dieter Ehrlich, genannt Otze, auf dem Bauernhof seiner Eltern. Zusammen mit seinem Bruder Klaus gründete er die Band 1980 gegen »Karrieristen und Faschisten und falsche Kommunisten«. Punk war illegal, weil jedes Konzert, das nicht von staatlichen Organisationen veranstaltet wurde, illegal war. Der Otze-Biograf Frank Willmann war 1981 beim ersten Schleimkeim-Konzert dabei: »Plötzlich stürzte der Himmel ein, die Marsmenschen landeten«, schreibt er in »Betreten auf eigene Gefahr«, dem neuen Buch mit den Schleimkeim-Songcomics. Verschiedene Zeichner*innen, bis auf eine alle aus dem Osten, illustrieren die Schleimkeim-Hits wie »Bullenterror« (Dirk Mecklenbeck), »Satan« (Karla Paloma), »Mein Garten« (Marcus Gruber) und natürlich »In der Kneipe zur trockenen Kehle« (Kerstin Gürke), die Hymne des depressiven Proletariats: »Jeden morgen früh aufstehen / Den ganzen Tag an der Maschine stehn / Tagein tagaus die gleiche Scheiße / Da bekommt doch jeder Mensch ne Meise / Vorabend in die Kneipe gehen / Immer die gleichen Leute sehn / Acht neun Bier in der Klause / Nen Doppelten und nach Hause«.
Schleimkeim brachten 1983 die erste Punkplatte der DDR heraus – in Westberlin, unter dem Tarnnamen »Sau-Kerle« (gleiches Kürzel: SK); kam aber alles raus, und Otze musste zur Strafe kurzzeitig IM werden. Der singende Schlagzeuger war genial, fantastisch und oft unerträglich, der »ab einer bestimmten Menge Bier neben Angela Davis auch Kaiser Wilhelm hochleben ließ«. Er hätte größer als Campino werden können, ging aber in Drogen und Psychosen unter, gestorben 2005. Noch mal zum Bier: »Weder waren früher die Witze klüger noch der Sex besser. Das Bier schmeckte wie Bier und die Sonne Satans schien allen gleichermaßen«, meint Willmann.
Frank Willmann (Hg.): Betreten auf eigene
Gefahr: Schleimkeim-Songcomics. Ventil, 128 S., geb., 25 €.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.