Ecuador: Für Präsident Lasso wird es eng

Yaku Pérez über das Amtsenthebungsverfahren und die politische Krise in Ecuador

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.
Sag Nein zu Lasso! In Ecuadors Parlament kehren immer mehr Abgeordnete dem Präsidenten den Rücken zu.
Sag Nein zu Lasso! In Ecuadors Parlament kehren immer mehr Abgeordnete dem Präsidenten den Rücken zu.

Ecuador befindet sich in einer massiven politischen Krise. Das Parlament hat vor wenigen Tagen mit einfacher Mehrheit dafür gestimmt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Guillermo Lasso einzuleiten. Warum?

Interview

Yaku Pérez war 2021 Präsidentschafts­kandidat der indigenen Partei Pachakutik, die er danach im Streit verlassen hat. Heute lebt der 53-jährige Jurist in Cuenca, im Süden Ecuadors. Dort arbeitet er als Anwalt und baut nebenbei mit einem Kreis von Vertrauten eine neue politische Partei auf: Somos Agua (Wir sind Wasser).

Dem Präsident wird zur Last gelegt, öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Angesichts der massiven ökonomischen und sozialen Krise im Land ist das eine massive Verfehlung – nicht die erste von Guillermo Lasso. Derzeit leben sieben Millionen Eucadorianer*innen in Armut, zwei Millionen in absoluter Armut mit weniger als zwei US-Dollar täglich.

Gibt es Belege für Lassos Fehlverhalten?

Oh ja, die Liste der Verstöße gegen bestehende Gesetze ist lang. Ich will gar nicht lange auf den Wahlbetrug eingehen, den es bei den Wahlen 2021 gab und der ihn letztlich ins Präsidentenamt brachte. Damals wurde trotz der Indizien für Fälschung keine Neuauszählung der Stimmen zugelassen, wodurch Pachakutik, deren Kandidat ich war, eben nicht in die Stichwahl kam. Dafür trägt Guillermo Lasso Mitverantwortung. Fakt ist, dass Lasso Geld in Finanzparadiese transferiert hat, wie die »Pandora Papers« belegen und dafür keine politische Verantwortung übernommen hat. Zudem hat er die öffentlichen Betriebe Ecuadors seinem Schwager Danilo Carrera anvertraut, der ein Korruptionssystem für die Vergabe von Posten im öffentlichen Dienst installiert haben soll. Von diesem System soll Lasso gewusst haben, er hat aber auf die Vorwürfe nicht reagiert. Er hat keine unabhängige juristische Untersuchung eingeleitet und das gilt auch für andere handfeste Vorwürfe.

Wie funktioniert ein Amtsenthebungsverfahren – was sind die nächsten Schritte?

Das ist nicht ganz klar und hängt von den Mehrheiten im Parlament ab. Es ist durchaus möglich, dass Guillermo Lasso den Kopf aus der Schlinge zieht und seine politische Macht in die Waagschale wirft und Abgeordnete durch die Vergabe von Posten auf seine Seite zieht. Das wäre nicht neu in Ecuador, und es kursieren Gerüchte, dass Abgeordnete mit Geldgeschenken zur Änderung ihres Abstimmungsverhaltens bewegt werden sollen. Allein diese Gerüchte zeigen deutlich auf, wie gravierend die politisch-ethische Krise des Landes ist.

Hinzu kommt die Sicherheitskrise. Kaum ein Tag vergeht ohne Gefechte zwischen Drogenbanden, großen Drogenfunden und Gewalttaten in Gefängnissen. Es hat den Eindruck, dass die Drogenbanden immer einflussreicher werden. Trifft das zu?

Das ist ein gravierendes Problem. Eine Tatsache ist, dass das Drogenproblem nur multilateral zu lösen ist. Wir brauchen eine andere Drogenpolitik auf internationaler Ebene, die Kriminalisierung ist seit Langem gescheitert. Die alten Strukturen des Anbaus im Süden und des Konsums im Norden sind überholt – wir brauchen eine Legalisierung der Drogen. Heute werden die Drogen zwar im Süden produziert, aber in immer größerem Umfang auch konsumiert. Drogenbanden entlohnen heute nicht nur mit Geld, sondern mit Kokain die Konsumenten. Aber auch die Gangmitglieder werden immer jünger und sind meist, aber lange nicht immer, männlich. Diese Entwicklung ist möglich, weil die soziale Symmetrie aus den Fugen geraten ist. Wir müssen die Armut, die Arbeitslosigkeit und den Drogenschmuggel gemeinsam bekämpfen und nicht isoliert – weil sie sich bedingen.

Sehen Sie Parteien im Parlament des Landes, die glaubwürdige Konzepte vorliegen haben?

Nein, derzeit nicht. Wir sind vor zwei Jahren mit Pachakutik als eine solche Option angetreten, wollten einen dritten Weg beschreiten. Heute ist Pachakutik gespalten, ein Flügel unterstützt Lasso, der andere kritisiert ihn. Wir brauchen ein Konzept, das sowohl den Menschen als auch der Umwelt gerecht wird und nicht nur auf den persönlichen Vorteil ausgerichtet ist.

Arbeiten Sie an einem derartigen Konzept für die Präsidentschaftswahlen 2025?

Derzeit nicht, denn ich vertrete als Anwalt Menschen, die aufgrund von Umweltprotesten kriminalisiert werden. Es gibt jedoch einen Kreis von Freunden, die daran arbeiten. Das Kind hat auch einen Namen: Somos Agua (Wir sind Wasser). So heißt die politische Bewegung, die gerade in allen Provinzen des Landes als öko-soziale Option für 2025 aufgebaut wird.

Dazu passt, dass das Verfassungsgericht gerade ein Referendum über die Zukunft des Naturschutzgebietes Yasuní freigegeben hat. Dort sollte Erdöl gefördert werden – das könnte gekippt werden, oder?

Spät, aber besser als nie sind die Richter zur Einsicht gekommen. Das begrüße ich und hoffe auf ein deutliches Votum gegen die Förderung in einem Naturreservat, das aufgrund seiner Artenvielfalt unter Schutz steht. Die ist unwiederbringlich.

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