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Endet Real Madrids Herrschaft in der Fußball-Champions-League?

Mit fünf Titeln dominierte Real Madrid ein Jahrzehnt lang die Königsklasse. Manchester City will nun eine neue Ära starten

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit 2014 gewann Karim Benzema (M.) mit Real Madrid fünfmal die Königsklasse. John Stones (l.) will diese Ära mit Manchester City beenden.
Seit 2014 gewann Karim Benzema (M.) mit Real Madrid fünfmal die Königsklasse. John Stones (l.) will diese Ära mit Manchester City beenden.

Kann schon sein, dass an diesem Mittwoch im Etihad Stadium zu Manchester etwas zu Ende geht: Die Ära einer großen Mannschaft, die den europäischen Fußballzirkus eine Dekade lang geprägt hat, mit großartigen Spielen und rauschenden Festen. Fünfmal in zehn Jahren hat der Real Madrid Club de Fútbol die Champions League gewonnen. In den Endspielen von Lissabon, Mailand, Kiew, Cardiff und zuletzt vor einem Jahr in Paris, aber ob es am 10. Juni noch zu einem finalen Da capo in Istanbul reicht? Das ist nach dem 1:1 im Halbfinalhinspiel daheim vor einer Woche gegen Manchester City doch sehr fraglich.

Zirkus Europa
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.

Dani Carvajal, Karim Benzema und Luka Modric sind noch übrig von jener Mannschaft, die im September 2013 mit einem 6:1 im Gruppenspiel bei Galatasaray Istanbul ihren Siegeszug durch Europa begann. Toni Kroos kam erst ein Jahr später aus München dazu. Andere wie Cristiano Ronaldo und Iker Casillas sind weitergezogen ober haben aufgehört. Carlo Ancelotti, der Bonvivant auf der Trainerbank, ist vor zwei Jahren zurückgekehrt. Bei seiner ersten Amtszeit war Real als Nummer drei in Spanien nicht unbedingt prädestiniert für den ganz großen Wurf.

Als dann nach einem dramatischen Finale in Lissabon der Job erledigt und der Henkelpott zum ersten Mal seit 2002 wieder im Besitz des größten, verrücktesten und erfolgreichsten Klubs der Welt war, stand der italienische Maestro im Mittelpunkt einer höchst amüsanten Prozession. Er referierte gerade im Licht der Kameras über den 4:1-Sieg im Madrider Finalderby gegen Atlético, als seine Spieler Sami Khedira, Isco, Luka Modric, Marcelo, Sergio Ramos und Pepe die Bühne enterten. Alle zusammen lachten und tanzten sie und sangen: »Campeones, Campeones!« Isco spritzte mit einer Wasserflasche um sich und der dicke, gemütliche Ancelotti schlug dazu im Takt mit der Faust auf den Tisch. »Campeones, Campeones!«

War das wirklich Real Madrid? Der Weltklub mit der Lizenz zur Unnahbarkeit? Das abgehobene Fußballunternehmen, das zuvor in drei Jahren unter Ancelottis Vorgänger José Mourinho neue Abgründe der Unbeliebtheit erkundet hatte? Es war ein neues, ein unbeschwertes und leichtes Real, das in Lissabon seine Decima feierte – den zehnten Sieg in der Champions League, die früher, zu Zeiten von Alfredo di Stefano und Ferenc Puskás, noch Europapokal der Landesmeister hieß.

Real Madrid war ein würdiger Champion. Einer, der sich das Glück des Sieges hart erarbeitete, gegen jede späte Wahrscheinlichkeit und einen Gegner, der so verdammt schwer zu besiegen war wie kein anderer, wenn er erst mal in Führung lag. »Wir waren doch schon tot«, sprach der deutsche Nationalspieler Khedira nächtens in den Katakomben des Estadio da Luz. Aber dann flog in der dritten von fünf Nachspielminuten noch ein letzter Eckball in den Strafraum. Und Sergio Ramos, Reals überragender Innenverteidiger, der wohl auch einen Flügel mit vollendeter Eleganz aus dem Strafraum hätte köpfen können, wuchtete den Ball mit der Stirn zum 1:1 ins Tor.

Atlético war danach so tot, wie Real es zuvor gemäß Khediras Definition gewesen war. Da ging nichts mehr. Gareth Bales Trefffer zum 2:1 Mitte der zweiten Halbzeit der Verlängerung raubte den Guerilleros des Diego Simeone die letzte Hoffnung auf ein finales Elfmeterschießen. Es fielen noch zwei weitere Tore durch den eingewechselten Marcelo und Cristiano Ronaldo, aber die waren nur für das Protokoll von Relevanz. Atlético trauerte und Real feierte den Beginn einer Ära, von der damals noch niemand etwas ahnte. Vielleicht geht sie am Mittwoch zu Ende.

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