Annalena Baerbock am Persischen Golf

Deutschland will die Wirtschaftsbeziehungen vertiefen und mitwirken am Friedensprozess im Jemen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich viel vorgenommen bei ihrer Reise an den Persischen Golf: Sie will einen Friedensprozess im Jemen anstoßen, beim saudischen Herrscherhaus um eine Energiepartnerschaft buhlen, die Normalisierung der Beziehungen zum syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad aufhalten und die Arbeitsbedingungen in Katar, dem Austragungsland der Fußball-WM 2022, zum Gesprächsthema machen. Und voraussehbar will Baerbock auch auf die Einhaltung der Menschenrechte in den autoritär regierten Golfmonarchien drängen.

Aber der Reihe nach. Am Dienstag stand der Krieg im Jemen auf der Tagesordnung. Baerbock traf dafür in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschiddah mit dem UN-Hilfskoordinator David Gressly zusammen. Im Anschluss war eine Unterredung mit dem jemenitischen Außenminister Ahmed Bin Mubarak geplant, der sich ebenfalls in der Stadt aufhielt. Wie viele glaubt auch die deutsche Bundesregierung, dass die Chance auf einen dauerhaften Frieden derzeit besonders groß sei. Der Grund für diese Annahme: Saudi-Arabien und Iran, die beide auf unterschiedlichen Seiten in den Konflikt involviert sind, haben sich ausgesöhnt – auch dank chinesischer Vermittlung am Ende eines langwierigen Annäherungsprozesses.

Die saudische Regierung in Riad sucht einen Ausweg aus dem kostspieligen Konflikt, in dem nach UN-Schätzungen durch direkte und indirekte Kriegsfolgen mindestens 377 000 Menschen ums Leben kamen. Nach Angaben aus der Bundesregierung sind 67 Prozent der Bevölkerung Jemens von humanitärer Hilfe abhängig: rund 21 Millionen Menschen, davon etwa elf Millionen Kinder. Saudi-Arabien kämpft im Jemen gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen, die das Land 2014 überrannten und weite Teile im Norden beherrschen. Baerbock lobte Riad für die zurzeit gezeigte Kompromissbereitschaft: »Dass Saudi-Arabien im Jemen nun auf Gespräche mit den Huthis setzt, ist der richtige erste Schritt.«

Baerbock reiste noch am selben Tag nach Katar weiter und ließ sich in der Hauptstadt Doha vom dortigen Leiter des Projektbüros der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, Max Tunon, über die weitgehend rechtlose Situation der Arbeiter informieren – hinter verschlossenen Türen wohlgemerkt. Man erinnert sich: Während der Fußball-WM 2022 war Katar wegen der inakzeptablen Arbeitsbedingungen für die rund 2,6 Millionen Arbeiter schwer in die Kritik geraten. Leichte Verbesserungen gab es seither – Mindestlohn, rechtliche Begrenzung der Arbeitszeiten, bezahlter Urlaub –, doch Amnesty International kritisiert die schleppende Umsetzung. Laut der britischen Tageszeitung »The Guardian« wird Katars Arbeitsminister Ali Bin Said Al-Marri sogar den Vorsitz der ILO-Jahreskonferenz im Juni in Genf übernehmen.

Zum Abschluss ihrer Reise traf Baerbock in Doha noch mit dem Herrscher Emir Tamim Bin Hamad Al-Thani sowie Premierminister und Außenminister Mohammed Bin Abdulrahman Al-Thani zusammen. Dabei sollte Politisches besprochen werden, wie es hieß. Doch auch die Wirtschaftsbeziehungen dürften eine Rolle gespielt haben: Im vergangenen Jahr schlossen Deutschland und Katar einen auf 15 Jahre befristeten Vertrag zur Lieferung von Flüssiggas (LNG): Ab 2026 sollen jedes Jahr bis zu zwei Millionen Tonnen LNG an der deutschen Küste angelandet werden.

Den wohl schwierigsten Teil hatte sich die Außenministerin für den ersten Tag ihrer dreitägigen Reise vorgenommen: Sie traf in Dschiddah den saudischen Außenminister Prinz Faisal Bin Farhan, ein Treffen mit Kronprinz Mohammad Bin Salman, dem starken Mann Saudi-Arabiens, war nicht vorgesehen. Bei ihrem Besuch hat sich Baerbock für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen ausgesprochen. Pikanterweise fiel ihr Besuch am Persischen Golf ausgerechnet zusammen mit der Veröffentlichung des jährlichen Berichts von Amnesty International über die Anwendung der Todesstrafe in der Welt. Demnach verdreifachte sich die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien von 65 (2021) auf 196 im vergangenen Jahr – der höchste Wert seit 30 Jahren, den Amnesty für das Land verzeichnete.

»Es ist kein Geheimnis, dass uns im Bereich der Menschenrechte immer noch vieles trennt«, sagte Baerbock und bezog sich auf die in Saudi-Arabien praktizierte Todesstrafe sowie Freiheitsrechte. Wirtschaftliche Kooperation könne nicht »losgelöst von Rechtstaatlichkeit, Menschenrechten und Freiheitsrechten betrachtet werden«. Ob daran die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen scheitern wird, darf bezweifelt werden.

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Renata Alt (FDP), bezeichnete die Lage der Menschenrechte in dem Königreich gegenüber der Nachrichtenagentur AFP als »desaströs«. Sie forderte Baerbock zu einer klaren Positionierung während ihrer Golf-Reise auf. »Menschenrechte sind nicht verhandelbar und dürfen für nichts, auch nicht für billiges Gas, unter den Teppich gekehrt werden«, sagte Alt. Ähnlich argumentierte die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler: »Ich erwarte von Annalena Baerbock, dass sie bei ihren Gesprächen in Saudi-Arabien deutliche Worte findet und vor allem, dass sie die Waffenexporte stoppt. Wer Autokraten und Diktatoren mit Waffen beliefert, der macht sich mitschuldig.«

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