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Wahlwiederholung: Karlsruhe interessiert sich nicht für Berlin

Bundesverfassungsgericht stuft Beschwerde gegen die Komplettwiederholung der Berlin-Wahl als nicht statthaft und unzulässig ein.

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Karlsruhe macht einen Haken hinter die Berliner Wiederholungswahl: Am Mittwoch erklärte sich der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf eine Verfassungsbeschwerde gegen die Komplettwiederholung der Berlin-Wahl für nicht zuständig. Ende Januar hatte das Gericht in diesem Zusammenhang einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem die Wahl am 12. Februar gestoppt werden sollte.

Nun, nahezu vier Monate später, folgte die Begründung. Wobei aus den »Leitsätzen zum Beschluss des Zweiten Senats vom 25. Januar 2023« überraschenderweise eben nicht nur hervorgeht, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Eilantrag für unbegründet hält. Auch die dazugehörige Verfassungsbeschwerde wird als »nicht statthaft und damit unzulässig« mit vom Tisch gewischt. Und dies, obwohl über diese sogenannte Hauptsache formell noch gar nicht entschieden ist.

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Zur Erinnerung: Mehr als 40 Berliner Bezirks- und Landespolitiker der Linken, der FDP und der SPD hatten sich im Dezember vergangenen Jahres gemeinsam an das Bundesverfassungsgericht gewandt, um per Eilantrag und Verfassungsbeschwerde die Wahl-Entscheidung des Berliner Landesverfassungsgerichtshofs zu kippen. Das hatte kurz zuvor verfügt, dass die Abstimmung zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen vom September 2021 in ausnahmslos allen Wahlbezirken wiederholt werden müsse.

Die Beschwerdeführer monierten, dass die Berliner Verfassungsrichter unsauber gearbeitet und die Wahl letztlich vor allem auf Basis von »Unterstellungen, Schätzungen und Vermutungen« für insgesamt ungültig erklärt hätten. Dabei sei es am 26. September 2021 in der überwiegenden Mehrheit der mehr als 2200 Berliner Wahllokale gar nicht zu Wahlfehlern oder derart eklatanten Unregelmäßigkeiten gekommen, dass dort ebenfalls eine Wiederholung gerechtfertigt wäre.

Nicht unser Problem, wie die Richter in Berlin zu ihren Entscheidungen kommen, befand nun Karlsruhe. Und wurde dann auch gleich ganz »grundsätzlich«: Bei Wahlen in einem Bundesland werde »der subjektive Wahlrechtsschutz grundsätzlich durch das jeweilige Land allein und abschließend gewährt«. Für Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht »gegen landesverfassungsgerichtliche Wahlprüfungsentscheidungen« sei »kein Raum«. Das Wahlprüfungsverfahren obliege den Ländern, die das »autonom« zu regeln hätten.

Vor allem aber, heißt es in der rund 50-seitigen Begründung, sei das Bundesverfassungsgericht »keine zweite Instanz über den Landesverfassungsgerichten, die berufen ist, deren Urteile durchgängig und in vollem Umfang nachzuprüfen«. Erst »wenn die Praxis von der Norm andauernd beziehungsweise systematisch« abweiche, könnte man sich bemüßigt fühlen, der Sache näher auf den Grund zu gehen.

»Dass sich das Bundesverfassungsgericht in einem Eilbeschluss vollständig aus der Prüfung von Wahlprüfungen der Länder herausgezogen hat, ist ein starkes Stück«, sagt Moheb Shafaqyar zu »nd«. Der Linke-Verordnete in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg ist einer der Beschwerdeführer. Das Signal, das damit ausgesendet werde, sei fatal: Die Länder können bei Wahlen machen, was sie wollen, Karlsruhe hält sich da raus.

Das sei in der Tat ein Grundsatzurteil, sagt Shafaqyar und warnt vor unabsehbaren Konsequenzen: »Sollte morgen etwa in Sachsen das Landesverfassungsgericht auch mit AfD-Richtern besetzt werden, kann dort das Wahlrecht auf den Kopf gestellt werden.«

Der Linke-Politiker verweist im Zusammenhang mit der Ablehnung des Eilantrags und der nun nachgelieferten Begründung zudem auf eine delikate Personalie. So hatte sich Bundesverfassungsrichter Peter Müller – seines Zeichens ehemaliger CDU-Ministerpräsident des Saarlands – bereits im Oktober 2022 in einer Art und Weise über Berlin und die Wahl geäußert, die, so Moheb Shafaqyar, Zweifel an dessen unabhängiger Urteilsfindung aufkommen ließen.

In einem Podcast der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« hatte CDU-Mann Müller damals erklärt: »Sowas hätte man sich vor einigen Jahrzehnten vorstellen können in irgendeinem diktatorischen sogenannten Entwicklungsland, aber doch nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland.« Shafaqyar und seine Mitstreiter regten deshalb in ihrer Beschwerdeschrift zusätzlich auch noch an, eine mögliche Befangenheit von Peter Müller zu prüfen.

Eine Entscheidung hierzu sei nicht veranlasst worden, heißt es nun aus Karlsruhe. Ein Unding, findet Shafaqyar: »Dass ein ehemaliger CDU-Ministerpräsident als Richter beim Zweiten Senat nicht mal die von uns angeregte Befangenheit thematisiert, nachdem er Berlin mit Diktaturen verglich, beschädigt das Vertrauen in diese Kammer nur noch mehr.«

Bei allem mit dem Eilantrag und der Verfassungsbeschwerde verbundenen Stress: Er bereue nicht, dass er mit den anderen Beschwerdeführern beim Bundesverfassungsgericht vorstellig geworden ist, sagt Moheb Shafaqyar. »Mir ging es ums Prinzip. Wir haben das dem Bundesverfassungsgericht vor dem Hintergrund dieser historischen Entscheidung einer Wiederholungswahl vorgelegt, auch um weitreichende Gefahren für die Zukunft zu verhindern.« Karlsruhe interessiert das offenkundig wenig.

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