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Brandenburgs Gefängnisse: Mit Schlagstock in die Zelle

Brandenburgs Gefängnisse wurden und werden weiter aufgerüstet

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) von Brandenburg/Havel hat sich mit einem abgebrochenen Besenstiel bewaffnet und drischt damit gegen die Tür seiner Zelle. Jetzt kommen Justizvollzugsbedienstete zum Zug, die für solche Fälle trainiert und ausgerüstet sind. Sie haben Helme aufgesetzt und Schutzanzüge angelegt, die Schläge abfangen und Messerklingen abweisen. Mit Teleskopschlagstöcken stürmen sie die Zelle und überwältigen den Tobsüchtigen. Als er auf dem Boden liegt, wird er gefragt: »Kriegen Sie Luft?« Das bestätigt er, nun plötzlich erstaunlich gelassen. Doch der Mann ist kein echter Gefangener, sondern ein Kollege, der einen Häftling spielt. Es ist auch keine richtige Zelle, sondern nur eine der vier nachgebauten im Ausbildungszentrum der JVA an der Max-Josef-Metzger-Straße. Diese Zellen können von der zweiten Etage aus eingesehen werden. In zwei Varianten wird die Szene am Mittwoch gezeigt: Einmal lässt der Gefangene den Besenstiel nach einer energischen Ansprache fallen und legt sich wie befohlen auf den Boden. Ein andermal spielt er weiter verrückt und geht auf die Beamten los.

Ähnliche Situationen kommen ab und zu vor in Brandenburgs Gefängnissen. Viel häufiger gehen sich die Gefangenen gegenseitig an die Gurgel. Die Zahl der Körperverletzungsdelikte steige umgekehrt proportional zur Belegung, sagt Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU). Obwohl immer weniger Straftäter einsitzen, steigt also die Zahl der Schlägereien untereinander. Der Schutz der Häftlinge und des Personals gebiete es, Defizite bei den Einsatzgruppen abzustellen, so Hoffmann. Acht Stunden pro Monat sollten sie trainieren. Es waren aber im besten Falle in einer JVA nur noch 23 Stunden im Jahr und im schlechtesten Falle war das Training in einer anderen JVA ganz zum Erliegen gekommen. Die alten Schlagstöcke, die teils noch aus der DDR stammten, waren unbrauchbar geworden und kamen in den Müll. Brandenburg hatte damit vor etlichen Jahren als einziges Bundesland diese Bewaffnung abgeschafft.

Zur Behebung dieser vermeintlichen Mängel gab es 2021 ein neues Sicherheitskonzept. Die Einsatzkleidung hatte aus ausgemusterten, verschlissenen Schutzanzügen der Polizei bestanden, erzählt Michael Habermann, der die Einsatzgruppen ausbildet. Der neue Teleskopschlagstock wurde ihm zufolge unter verschiedenen Modellen ausgewählt. Dabei sei berücksichtigt worden, dass er bei richtiger Anwendung keine schweren Verletzungen verursacht. In den Griff integriert ist eine Lampe, um dunkle Ecken auszuleuchten oder Gegner zu blenden.

607 Justizvollzugsbedienstete sind in Brandenburgs Gefängnissen beschäftigt und 77 befinden sich noch in der Ausbildung. 20 Prozent der Belegschaft sind den Einsatzgruppen zugeordnet. Für sie wurde neue Ausrüstung im Gesamtwert von mehr als 200 000 Euro angeschafft. Die Männer und Frauen versehen ihren Dienst gewöhnlich so wie alle anderen Kollegen. Nur bei Gewaltausbrüchen ziehen sie sich um und eilen herbei. Manchmal fehlt allerdings die Zeit dafür. Dann müssen die Beamten sofort eingreifen, so wie sie sind, ohne Helm.

Dass die Aggressivität in den Haftanstalten zunimmt, erklärt Ministerin Hoffmann auch mit bewusstseinsverändernden Drogen. Diese können leichter in die Gefängnisse geschmuggelt werden als früher. Denn es gibt inzwischen Substanzen, die in geringsten Mengen hochwirksam und mit dem bloßen Auge in der Post an die Gefangenen nicht zu erkennen sind. Mit ihnen wird das Briefpapier besprüht, und ein Rechenkästchen des Papiers ist eine volle Portion.

Seit März mietet Brandenburg für 1500 Euro im Monat ein Schnelltestgerät, das aussieht wie ein Drucker. Es genügt, den Teststreifen außen an einem Tütchen abzustreifen und ins Gerät einzuführen. Das zeigt dann gegebenenfalls an, dass in dem Tütchen etwa Kokain ist. Bei den Proben hat es bislang sechs Treffer gegeben, alle in der JVA Cottbus-Dissenchen. Um Drogen zu entdecken, schaffte das Justizressort auch die Spürhunde »Finnie« und »Keks« an. Im Ausbildungszentrum zeigen sie ihre Fähigkeiten. »Keks« schnüffelt aufgeregt in einer der Musterzellen herum. »Finnie« arbeitet schon routiniert. Die Hunde finden Drogen im Bettgestell und in einem Stuhlbein. »Bei der Umsetzung unseres Sicherheitskonzepts sind wir schon sehr weit gekommen«, sagt Ministerin Hoffmann. Die Sicherheitsstation in Luckau-Duben wurde aufgerüstet. Die anderen Gefängnisse sollen solche Stationen nun erst noch erhalten.

»Drogenprobleme mit Schlagstöcken zu lösen, diese Idee ist schon überraschend«, kommentiert Ex-Justizstaatssekretär Ronald Pienkny (Linke), der die Schlagstöcke einst aussortieren ließ. Die Abhängigen bräuchten Therapien. Mit Gewalt zu reagieren, sei »menschen- und resozialisierungsfeindlich«.

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