Protest gegen LNG-Terminals: Alle Küsten bleiben!

Auf Rügen wächst der Widerstand gegen geplante LNG-Terminals, freut sich Lasse Thiele

  • Lasse Thiele
  • Lesedauer: 3 Min.

Abgesehen von Kaminromantik haben wohl die wenigsten Menschen ein emotionales Verhältnis zu ihrer Heizung – Hauptsache, sie funktioniert. Doch seit Monaten bemüht sich eine konservative Phalanx aus Springer-Presse, Thinktanks und Politiker*innen, der gemeinen Bürgerin eine affektive Beziehung zur staubbeschichteten Gas- oder Ölheizung anzudichten. Wärmepumpen werden derweil – nebst technischer Desinformation – in zunehmend abstrusen Feuilletonbeiträgen zum kulturellen Sündenfall des Abendlandes erklärt.

Anlass ist das Gebäudeenergiegesetz, das fossile Heizsysteme durch fossilfreie ersetzen will. Der Gesetzentwurf ist kritikwürdig, denn die Kostenverteilung müsste sozialer sein und der Umbau schneller laufen – aber das sieht bei den konservativen Gegenvorschlägen umso schlechter aus. Die wollen vor allem die Haushalte als fossile Energiekonsumenten erhalten und damit weiter den Verwerfungen auf den Energiemärkten aussetzen.

Lasse Thiele
Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.

Immerhin kümmert sich die Ampel überhaupt einmal um einen strukturellen Abbau der Gasabhängigkeit. Dennoch plant sie weitere Flüssiggas-Importanlagen (LNG-Terminals). Das Bequeme an Gas und Öl war aus deutscher Sicht, die Schattenseiten wie Naturzerstörung, Vertreibung und Vergiftung von Anwohner*innen global auszulagern, anders als bei der Braunkohle. Auch deswegen klappte der LNG-Ausbau an den Küsten als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg relativ reibungslos. Das nun geopolitisch genehmere Flüssiggas ist durch den Energieaufwand für Verflüssigung und Regasifizierung aber noch klimaschädlicher als Pipelinegas. Teils wird es mit der in Deutschland faktisch verbotenen Frackingmethode gefördert.

Neue fossile Infrastrukturen bauen – ohne Widerstand? Das gilt nicht mehr. Nach einem noch weitgehend ohne LNG-Terminals überstandenen Winter mit gut gefüllten Gasspeichern wächst die Kritik an den neuen Überkapazitäten, mit denen mehr Gas importiert werden könnte, als je per Pipeline aus Russland kam. Langfristige Lieferverträge erschweren die Energiewende. An den Küsten wehren sich deutlich hörbar Betroffene. Denn auf Rügen wurde ein wunder Punkt getroffen: Das dort noch zusätzlich geplante Riesenterminal bedroht nicht nur küstennahe Naturschutzgebiete, sondern auch den Tourismus, der als wichtigster Wirtschaftszweig auf eben jene Naturidylle angewiesen ist.

Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck reisten persönlich zur Beschwichtigung der aufgebrachten Einwohner*innen an. Deren überwältigende Mehrheit ist laut Umfragen gegen das Terminal. Nach einem Jahr des geräuschlosen LNG-Ausbaus musste die Regierung erstmals einen geplanten Standort wegen lokalen Widerstands verlegen, wenn auch nur um wenige Kilometer.

Am Pfingstwochenende laden Klimaaktivist*innen zum Protestcamp auf Rügen. Längst wird gemunkelt, dass hier ein »neues Lützerath« entstehen könnte, ein Widerstandsort, an dem die Klimabewegung mit Einheimischen zusammenkommt. Auf Rügen besteht die vielleicht einmalige Chance für eine Trendwende gegen den LNG-Wildwuchs. Da angesichts der relativ leicht verlegbaren schwimmenden Terminals weitere Katz-und-Maus-Spiele der Regierung drohen, wird es für die Klimabewegung darauf ankommen, starke Bündnisse entlang der Küsten zu schließen – nach dem Motto »Alle Küsten bleiben«. All dem will die Ampel zuvorkommen, indem sie im Eilverfahren eine Gesetzesänderung durchdrückt, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ähnliche lästige rechtsstaatliche Verfahren auch für das Rügen-Projekt erübrigen würde.

Derweil müssen wohl viele Deutsche einsehen, dass eine spät entdeckte Liebe zu Gasheizungen ihnen zumindest den nächsten Ostseeurlaub ruinieren könnte. Alle Kollateralschäden des Gasimports lassen sich doch nicht in andere Weltregionen verschieben. Und dann kommt da noch die Sache mit dem Klima.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -