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Tischtennis-WM in Durban soll Boom in Afrika auslösen

Nach mehr als 80 Jahren kehren Tischtennis-Weltmeisterschaften nach Afrika zurück. Das Turnier in Durban soll eine Generation für den Sport begeistern

  • David Bieber
  • Lesedauer: 7 Min.
Quadri Aruna aus Nigeria ist der größte Tischtennisstar Afrikas. Bei Olympia 2016 stieß er mit einem Sieg gegen Timo Boll bis ins Viertelfinale vor.
Quadri Aruna aus Nigeria ist der größte Tischtennisstar Afrikas. Bei Olympia 2016 stieß er mit einem Sieg gegen Timo Boll bis ins Viertelfinale vor.

Es ist ein außergewöhnliches, weil seltenes Ereignis, dass eine Weltmeisterschaft im Tischtennis in Afrika veranstaltet wird. Den Kontinent verbindet selbst der informierte Sportbegeisterte eher mit Läufern und Fußballern, aber nicht unbedingt mit Tischtennis. Schon aufgrund dieser westlichen Wissenslücke sind die afrikanischen Aktiven besonders motiviert, ihr Können ab diesem Samstag in Durban auf dem heimischen Kontinent der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. »Das ist eine großartige Sache für Afrika. Es ist eine Gelegenheit, der Welt zu zeigen, was Afrika zu bieten hat. Von unserer Gastfreundschaft über unsere Kultur bis hin natürlich zu unserem Tischtennis-Event auf höchstem Niveau«, sagt der Ägypter Omar Assar.

Der amtierende Afrika-Meister und dreimalige Olympiateilnehmer lebt und trainiert derzeit in Deutschland. Doch in seiner Heimat Ägypten fand 1939 die bislang einzige Tischtennis-WM auf afrikanischem Boden statt. Damals war Kairo Austragungsort der 13. Weltmeisterschaften. Nun kehrt das Turnier zurück.

Der Weltverband ITTF spricht von einem historischen Meilenstein für den schnellsten Ballsport der Welt. Durban hatte sich als Austragungsort bei der Vergabe vor mehr als zweieinhalb Jahren gegen Düsseldorf durchgesetzt, der Heimat von Deutschlands Rekordmeister Borussia Düsseldorf. Die Gastgeber dürften – nebst einer WM der kurzen Wege – auch durch den Umstand gepunktet haben, dass Durban einen hohen touristischen Wert hat. Die Strände am Indischen Ozean sind immer für tolle Bilder zu haben.

Ausschlaggebend aber war sicherlich das Argument der Südafrikaner, dass es nach mehr als 80 Jahren einfach an der Zeit sei, eine WM wieder nach Afrika zu vergeben. Und so appellierten sie an die Solidarität anderer Länder mit dem Slogan »It’s time for Africa«. Der Deutsche Tischtennisbund (DTTB) gratulierte seinem südafrikanischen Pendant fair, und noch heute sagt DTTB-Präsidentin Claudia Herweg auf nd-Nachfrage: »Durch Weltmeisterschaften in einem so sportbegeisterten Land wie Südafrika kann unser Sport dort noch populärer werden. Ich freue mich darauf zu sehen, wie unser Sport und seine Stars in Durban gefeiert werden.«

Tatsächlich ist die versammelte Weltspitze dabei – fast zumindest. Denn Deutschlands erfolgreichster und bekanntester Tischtennisspieler Timo Boll fehlt. Der 42-jährige WM-Dritte von 2021 und Rekordeuropameister hat elf Tage vor Beginn der Titelkämpfe bekanntgegeben, dass er wegen einer Schulterverletzung ausfällt.

Die Tischtennisnation schlechthin, China, reist jedoch mit ihren besten Spielerinnen und Spielern an, darunter Olympiasieger Ma Long. Auch der deutsche Kader der Männer kann sich selbst ohne Boll sehen lassen. Der Olympiadritte von Tokio 2021, Dimitrij Ovtcharov, und der aktuelle Europameister Dang Qiu sind die aussichtsreichsten Kandidaten, bei den Titelkämpfen weit zu kommen.

Die Asiaten zu besiegen, wird wieder schwierig. Sind ostafrikanische Nationen führend im Ausdauer-Laufsport, sind es im Tischtennis die ostasiatischen. In Japan und Südkorea ist Tischtennis äußerst populär – in China sogar Volkssport. Tischtennisspieler werden dort mindestens genauso »gehyped« wie Profifußballer in Deutschland oder Marathonläufer in Kenia, Äthiopien oder Uganda. Nun wollen die afrikanischen Tischtennisspielerinnen und Tischtennisspieler auf der globalen Bühne beweisen, dass auch ihr Sport sehr wohl einen gewissen Stellenwert daheim genießt.

Das liegt vor allem an Quadri Aruna. Der Nigerianer hat Tischtennis auf seinem Heimatkontinent unermüdlich bekanntgemacht und ist aktuell die Nummer zwölf in der Weltrangliste. Er hatte bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro 2016 völlig unerwartet den damaligen Ranglistensiebten Chuang Chih-Yuan aus Taiwan und die Nummer 13 der Welt, Timo Boll, ausgeschaltet. Als erster afrikanischer Tischtennisspieler zog Aruna in ein olympisches Viertelfinale ein und schied erst dort gegen Weltmeister Ma Long aus.

»Aruna hat Tischtennis in Afrika populär werden lassen«, erinnert sich der Vize-Europameister von 2003, Torben Wosik. »Er ist sehr aktiv auf Social Media, das ist heutzutage auch wichtig.« Anfang 2023 hatte der Nigerianer allerdings mit seinem Wechsel aus der Bundesliga zum fünffachen Champions-League-Sieger Fakel Orenburg nach Russland für Aufsehen gesorgt. Da russische Vereine aufgrund des Ukraine-Krieges weiterhin gesperrt sind, hatte er dadurch jedoch mehr Zeit für internationale Turniere, für die Familie daheim und für die Vorbereitung auf die WM, die Aruna als Plattform bezeichnete, »um Afrikanerinnen und Afrikanern den Nervenkitzel des Sports zu zeigen, junge Spieler zu inspirieren und mehr Fans zu gewinnen«.

Der 34-Jährige und der Ägypter Omar Assar dürften mit Abstand die besten Chancen aller Afrikaner haben, in Durban weit zu kommen. Die 14 Jahre junge Ägypterin Hana Goda ist zudem eins der vielversprechendsten Talente weltweit und schon die Nummer 36 bei den Frauen. Die jüngste Afrika-Meisterin der Geschichte dürfte wie ihre Landsfrau Dina Meshref vom Einzug ins Achtelfinale träumen.

Die wachsende Bedeutung des Sports hängt unbenommen von den Aktiven ab. Gibt es erfolgreiche und prominente Spielerinnen und Spieler, ist das für eine Sportart immer ein Gewinn. Sie dienen als Zugpferde für den Tischtennissport, der außer in Asien kaum im Rampenlicht steht. »Das Potenzial des Kontinents ist viel größer und meiner Meinung nach in vielen Sportarten ein schlafender Riese. Wer eine Sportart weltweit weiterentwickeln will, darf Afrika nicht vernachlässigen«, sagt DTTB-Präsidentin Herweg.

Auch der Weltverband prophezeit dem Tischtennis in Afrika eine rosige Zukunft. Wosik, der zurzeit für die Berliner Hertha in der zweiten Bundesliga spielt, ist zwar von einem Boom noch nicht überzeugt, erkennt aber ebenfalls deutlich ein Wachstum: »Auch dank ausländischer Trainer hat sich Tischtennis in Afrika in den vergangenen Jahrzehnten sehr entwickelt.« Die Zeiten, in denen Europäer in der ersten WM-Runde problemlos gegen vermeintliche Außenseiter aus Afrika gewinnen, seien längst vorbei, so Wosik. »Alles ist eng beieinander.«

Der DTTB ging schon vor vielen Jahren eine Kooperation mit dem Verband von Namibia ein, stiftete zudem über viele Jahre hinweg Materialpakete, die an mehrere afrikanische Länder verteilt wurden, und beteiligt sich zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und dem Auswärtigen Amt an der Entsendung deutscher Trainer für Projekte in Ländern wie Dschibuti, Kongo und Kenia. 2017 weitete der DTTB seine »Entwicklungshilfe« noch auf neue Initiativen in der Côte d’Ivoire aus.

Trotz aller verbaler Zuversicht von Seiten des Weltverbands, sind derlei Projekte auch immer noch nötig. Wer schon einmal Tischtennis im subsaharischen Afrika gespielt hat, weiß, dass es nicht einfach ist, wenn nur begrenzt Tische und Bälle zur Verfügung stehen und kaum Platz in Hallen vorhanden ist. Oft ist die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass die Bälle – in Afrika größtenteils noch aus Zelluloid und nicht aus Plastik, wie vom ITTF vorgegeben – vom Gummibelag der Schläger abrutschen. Belüftungssysteme oder Klimaanlagen gibt es nur selten in den spärlich ausgestatteten Räumen.

Zudem gibt es wenige Orte, selbst in den Hauptstädten großer Länder, an denen Tischtennis gespielt werden kann. In Senegals Metropole Dakar etwa muss man durch die halbe Stadt fahren, um zu einer kleinen Tischtennishalle zu gelangen, gelegen in den Katakomben des früheren Fußballnationalstadions. Einen Ligabetrieb für Amateure und Profis wie in Europa gibt es nicht, stattdessen werden einige nationale Turniere veranstaltet. Auch richtet die chinesische Botschaft in einigen afrikanischen Ländern Wettkämpfe aus.

Die dominierenden Tischtennisnationen auf dem Kontinent sind Nigeria und Ägypten. Bei den afrikanischen Meisterschaften machen die beiden seit Jahrzehnten die Gewinner unter sich aus. Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas mit der stärksten Wirtschaft. Ägypten ist sportbegeistert und ebenfalls wirtschaftlich stark. WM-Gastgeber Südafrika geht hingegen mit Außenseitern an den Start. Für Spielerinnen und Spieler anderer Nationen wie etwa Senegal, Togo, Angola, Uganda oder Algerien gilt lediglich das olympische Motto: »Dabei sein ist alles.«

Sabine Winter dürfte zwar höhere Ziele haben, aber gegen die Übermacht aus Ostasien kaum in den Medaillenkampf eingreifen können. Das wird für die 30-jährige deutsche Nationalspielerin besonders bei dieser WM jedoch nicht ausschlaggebend sein. Seit vielen Jahren unterstützt Winter schließlich eine Initiative in Uganda, deren Ziel es ist, benachteiligten Kindern in Slums der Hauptstadt Kampal zu helfen und mit Tischtennis den Weg aus dem Elend zu ebnen. Winter versteigert dafür ihre Trikots und Sportschuhe online und leitet die Erlöse an die Initiative von Bazira Bale weiter, der als Waisenkind mithilfe von Tischtennis einen Weg aus der Armut fand. Heutzutage ist er Trainer und Gründer von »Slum Ping Pong«. Vielleicht nutzt Winter die Gelegenheit, ihr mitfinanziertes Projekt einmal an Ort und Stelle zu begutachten, wenn sie schon in Afrika ist.

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