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Joao Almeida bringt Schwung in den Giro d’Italia
Wie der junge Portugiese die Favoriten bei der Italienrundfahrt unter Druck setzt
In der dritten Woche kommt der Giro d’Italia richtig in Schwung. Lebensstifter ist Joao Almeida. Der Portugiese war schon in der zweiten Woche der aktivste unter den ansonsten vor allem zaudernden Klassementfahrer. Er zuckte mal hier, mal da und verursachte mit einem entschlossenen Antritt auch den Zeitverlust des Bora-Kapitäns Lennard Kämna auf die anderen Favoriten am vergangenen Freitag in Bergamo.
Nach dem Ruhetag aber schlug der 24-Jährige am Dienstag richtig zu. Schauplatz war der Monte Bondone, ein 1630 Meter hoher Gipfel im Skigebiet um Trient. Nach toller Vorarbeit des einstigen Rollen-Königs Jay Vine, der sich über das Indoor-Fahren auf der Plattform Zwift einen Vertrag für die WorldTour geholt hatte, zog der Kapitän des UAE-Teams ab. Die Favoriten Geraint Thomas und Primoz Roglic schauten sich verdutzt an.
Almeidas Teamkollegen, dem zweifachen Tour de France-Sieger Tadej Pogacar, dürfte das sehr gefallen haben. »Wir haben vor ein paar Tagen miteinander getextet. Und er hat mir gesagt, dass ich mir die Etappe und das Rosa Trikot holen soll«, sagte Almeida lächelnd im Ziel, während er große Mengen Ketchup auf sein Regenerationsessen patschte. Zu Rosa reichte es dann zwar nicht, Thomas schloss doch noch zu Almeida auf. Der kochte dann aber den 13 Jahre älteren Briten im Zielsprint ab, der Tagessieg und das Vorrücken auf Platz zwei waren der Lohn.
Zugleich brachte Almeidas Vorstoß die Hierarchien beim Giro gehörig durcheinander. Thomas hielt zwar mit ihm mit und übernahm Rosa. Top-Favorit Primoz Roglic aber hatte einen kleinen Einbruch. 25 Sekunden verlor er auf das Führungsduo. Er fiel auch im Gesamtklassement auf den dritten Rang zurück. »Vielleicht leidet er noch an den Wunden vom Sturz«, mutmaßte Matteo Tossato, Sportlicher Leiter des Ineos-Teams von Thomas, gegenüber »nd«. Er hatte als Zeichen der Schwäche von Roglic schon den Moment gedeutet, als dessen Jumbo-Visma-Team die Führungsarbeit aufgegeben hatte. Genau da hatte UAE übernommen und Jay Vine die Absprungschanze für seinen Kapitän gebaut.
Im Lager von Roglic war danach entdramatisieren angesagt. »Es sind nur ein paar Sekunden, kein Drama«, meinte der Sportliche Leiter Marc Reef. Der Niederländer wollte auch gar nichts davon wissen, dass sein Frontmann durch Sturzfolgen wesentlich beeinträchtigt sei. Das aber kann man als die übliche rhetorische Vernebelungsstrategie klassifizieren. Schwäche zugeben bedeutet, die anderen zur Attacke einzuladen.
Neuer Star des Giro ist nun Almeida. Und der verfügt trotz seines jungen Altes schon über beachtliche Erfahrung bei der Italienrundfahrt. 2020 fuhr er – damals für viele überraschend – 15 Tage im Rosa Trikot. Er erwies sich als ungemein zäh, wirkte schon abgehängt, kam aber immer wieder heran und beendete die Rundfahrt auf einem beachtlichen vierten Platz. Im Jahr darauf wurde er Sechster. Da allerdings musste er vor allem für seinen Kapitän Remco Evenepoel arbeiten – was sogar zu Streit unter den jungen Burschen führte. Erst nach Evenepoels Auscheiden war er die Nummer eins. Im vergangenen Jahr schließlich, als interessanter Profi zum an Talenten ohnehin reichen UAE-Rennstall gewechselt, fiel er an Position vier liegend wegen Corona aus.
Jetzt ist Almeida die klare Nummer eins im Giro-Aufgebot seines Teams. Den Segen von Pogacar hat er, Corona hofft er diesmal zu entgehen. Und auf der Straße ist er derzeit der Stärkste. Das weiß er auch selbst. Ohne falsche Bescheidenheit sagt er: »Ja, ich kann diesen Giro gewinnen.« Er fügt hinzu, dass es natürlich schwer werde gegen Thomas und Roglic. Wie es gehen kann, hat er zum Auftakt der dritten Woche eindrucksvoll gezeigt.
Nächste Bewährungsproben für die Klassementfahrer sind die 18. Etappe am Donnerstag ins Skigebiet von Val di Zoldo, die Königsetappe am Tag darauf zu den Drei Zinnen von Lavaredo sowie das Bergzeitfahren am Sonnabend. Während der asphaltierte Ziegenpfad, über den am Monte Lussari das Zeitfahren geht, zum ersten Mal beim Giro gefahren wird, sind die Drei Zinnen ein echter Klassiker. 2013 trumpfte hier in Schnee, Nebel und Regen Vincenzo Nibali als rosa Gespenst in einem wahren Kältespektakel auf.
1967, bei der ersten Befahrung der Drei Zinnen, waren die Bedingungen sogar so unmöglich, dass das Ergebnis nicht gewertet wurde. Durch Kälte, Alkoholkonsum und Adrenalin völlig enthemmte Zuschauer schoben die Verfolgergruppe so stark an, dass sie nicht nur den armen Ausreißer des Tages einholten, sondern die Giro-Organisatoren sich zu einer Annullierung durchringen mussten. Dieser Tagesabschnitt ging als die »verschwundene Bergetappe« in die Annalen der Italienrundfahrt ein. Auf mythischem Terrain wird dieser Giro also entschieden, bevor der Sieger am Sonntag in Rosa ums römische Kolosseum fahren kann. Sehr gut möglich, dass dieser Mann dann Almeida heißt.
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