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Habersaathstraße in Berlin-Mitte: Kein Geld für Sozialberatung

Ehemals Obdachlose wohnen zusammen mit Altmietern in Berlin-Mitte, wegen fehlender Mittel fällt die sozialarbeiterische Unterstützung weg

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bewohner*innen der Habersaathstraße 40-48 in Mitte erhalten seit Anfang Mai keine Sozialberatung mehr vor Ort. Die Finanzierung des Vereins Neue Chance, der zuerst im Haus und dann in einem Nachbargebäude für alte und neue Bewohner*innen des Wohnkomplexes sozialarbeiterische Unterstützung anbot, ist ausgelaufen. Darauf wies die Initiative Leerstand-Hab-ich-Saath am Mittwoch hin. Sie fordert eine Lösung durch das Bezirksamt Mitte.

Im Dezember 2021 zogen rund 60 ehemals obdachlose Menschen in Wohnungen der Habersaathstraße 40-48 ein, die die Eigentümerin Arcadia Estates jahrelang im Leerstand gehalten hatte. Seitdem leben dort Hausbesetzer*innen ohne Mietvertrag mit ukrainischen Arbeitern, Geflüchteten und den verbliebenen Altmieter*innen, die sich gegen ihre Kündigung wehren. »Das ist eigentlich ein Vorzeigeprojekt«, sagt Daniel Diekmann, selbst langjähriger Mieter und Teil der Interessengemeinschaft Habersaathstraße. Die Sozialberatung brauche es aber trotzdem: »Die Probleme von der Straße sind ja mit in die Wohnungen eingezogen.«

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Annegret Traube von Leerstand-Hab-ich-Saath betont, dass die Ansprechpersonen von Neue Chance den neuen Bewohner*innen dabei geholfen hätten, langfristige Perspektiven zu finden. »Da wurden Menschen bei Sozialanträgen unterstützt, eine Person ist dort ihre Schuldenproblematik angegangen, es gab viel Unterstützung bei der Wohnungssuche«, erzählt sie. Im Fall von psychischen und Suchterkrankungen konnten die Sozialarbeiter*innen bei der Suche nach Klinikplätzen Unterstützung bieten. Damit ist es nun vorbei. Diekmann ärgert sich: »Das ist im Grunde unterlassene Hilfeleistung.« Er frage sich, wie die Zukunft der Hausgemeinschaft aussehe. Denn bis die Eigentümerin tatsächlich alle Altmieter*innen vertrieben habe und die Abrisspläne umsetzen könne, könnten noch Jahre vergehen.

»In der Sache sind sich alle Beteiligten sicher, dass der Konflikt mindestens noch zwei Jahre dauern wird«, sagt Rüdiger Lötzer, Bezirksverordneter der Linksfraktion. Die Arbeit des Vereins hält er auch für notwendig, um die langjährigen Bewohner*innen in ihrem Kampf gegen den Rausschmiss nicht alleine zu lassen. Für die BVV-Sitzung am Donnerstagabend plant seine Fraktion deshalb einen Antrag, der das Bezirksamt auffordert, »irgendwo Geld aufzutreiben«, so Lötzer. »Und sei es aus Spenden.«

Ursprünglich stellte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Mittel für den Verein Neue Chance zur Verfügung – allerdings nur im Rahmen einer sogenannten Basiskorrektur. Hierbei handele es sich um eine einmalige Leistung »aus Restmitteln des Haushaltsjahres 2022«, schrieb die damals noch von der Linkspartei geführte Verwaltung in einem Brief an die BVV-Mitte von Ende März, der »nd« vorliegt. Auf Nachfrage von »nd«, ob die Sozialverwaltung die Finanzierung wieder aufnehmen könnte, heißt es: »Dem Bezirksamt war damals mitgeteilt worden, dass eine gewünschte Weiterfinanzierung im Jahr 2023 aus bezirklichen Mitteln zu regeln ist. Die Verantwortung liegt beim Bezirksamt Mitte.«

Nach Angaben des Vereins Neue Chance endete die Finanzierung durch den Senat bereits im September 2022. Dann sei der Verein auf sich allein gestellt gewesen und habe sich mit Spenden und Eigenmitteln der Neuen Chance gGmbH bis Ende April am Leben gehalten, heißt es auf der Website des Sozialverbands. Denn für die Folgefinanzierung trieb das Bezirksamt bislang keine Mittel auf.

Sozialstadtrat Carsten Spallek (CDU) weist jedoch jede Verantwortung von sich. »Angesichts der Haushaltslage und der zu untersetzenden Pauschalen Minderausgaben« sei von Bezirksseite nichts zu machen, heißt es in einem Schreiben von Ende März. Ohnehin sei die Beratung bereits gesetzlich geregelt, so Spallek weiter. »Bewohnerinnen und Bewohner ohne Mietvertrag und Meldeanschrift in der Habersaathstraße können sich jederzeit an die für sie zuständigen Kostenträger wenden.« Welche Kostenträger der Sozialstadtrat damit meint, erklärt er auf Nachfrage von »nd« kurz und knapp: Sozialämter und Jobcenter.

»Damit attestiert er sich selbst nicht nur mangelnde Mitmenschlichkeit, sondern auch wenig Kenntnis darüber, welche Aufgabenbereiche soziale Arbeit, neben der Unterstützung bei Wohnungssuche oder dem Beantragen von Sozialleistungen, noch abdeckt«, sagt die Initiative Leerstand-Hab-ich-Saath zu Spalleks »Alternativvorschlag«.

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