Malochen ist nicht alles

Arno Dübel, »Deutschlands frechster Arbeitsloser«, ist tot

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem er als »frecher« und »fauler« Arbeitsloser bundesweit Prominenz erlangt hatte, versuchte sich Arnod Dübel 2010 in Hamburg als Schlagersänger.
Nachdem er als »frecher« und »fauler« Arbeitsloser bundesweit Prominenz erlangt hatte, versuchte sich Arnod Dübel 2010 in Hamburg als Schlagersänger.

»Ich krich vom Amt« – diese ungewöhnliche Aufschrift auf dem T-Shirt eines Mannes empörte vor mehr als 20 Jahren viele Deutsche. Der Träger des Kleidungsstücks war erwerbslos und teilte in Talk-Shows selbstbewusst mit, es sei nicht sein höchstes Ziel, wieder zu schuften. »Ich will niemandem den Job wegnehmen. Ich stell mich hinten an«, war einer der Sprüche, mit denen er sein Publikum provozierte. In der Folge ernannte »Bild« ihn in einer Artikelserie zum »frechsten Arbeitslosen Deutschlands«.

Die Hassbriefe und Mails, die Dübel danach erreichten, analysierten Britta Steinwachs und Christian Baron in ihrem Buch »Faul, frech, dreist«. Die Zuschriften waren Dokumente des deutschen Sozialchauvinismus und gehören zur Vorgeschichte der Einführung von Hartz IV. Indem Dübel betonte, dass Lohnarbeit um jeden Preis nicht sein Lebensziel sei, zog er den Hass derer auf sich, die der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in Endlosschleife als »die hart arbeitenden Menschen« bezeichnete, für die er sich engagiere.

Und es war SPD-Kanzler Gerhard Schröder, der auch mit Blick auf von den Medien aufgebaute Pappkameraden postulierte: »Es gibt kein Recht auf Faulheit.«

Baron und Steinwachs schreiben, Dübel verkörpere den Typus eines Menschen, der sich »dem Leistungsdiskurs bewusst entzieht, um es sich in der ›sozialen Hängematte‹ gemütlich zu machen«. Die Medienkampagne gegen ihn sei getragen gewesen von der »Überzeichnung von Grundhaltungen, die die (Vor-)Urteilsstruktur« von »Bild«-Lesenden bedienten. Die beiden Autor*innen analysieren in ihrem Essay die Funktionsweise des Sozialchauvinismus bei Menschen, die selbst gesellschaftlich benachteiligt sind. Einige Briefeschreiber*innen erwähnten besonders, dass sie auch erwerbslos seien und sich trotzdem jeden Tag um Arbeit bemühten. Sie fühlten sich daher von Dübel persönlich angegriffen, so mancher erging sich in Vernichtungsfantasien. Wenn es nach ihnen ginge, so schrieben einige, würde Dübel unter einer Brücke ausgesetzt und solle dort sterben. Nur um seinen Hund, den er bei seinen Talkshow-Auftritten bei sich hatte, würden sie sich kümmern.

In der gesamten Kampagne wurde kaum erwähnt, dass Dübel seit langem an einer Lungenkrankheit litt. Daran starb er kürzlich im Alter von nur 67 Jahren, wie am Mittwoch bekannt wurde. Die Abwertungen begleiteten Dübel bis an sein Lebensende. Auch in Nachrufen wird daran erinnert, dass er »auf Kosten des Staates« lebte. Ansonsten werden Dübels Auftritte bei verschiedenen TV-Shows und sein missglückter Versuch, als Sänger bekannt zu werden, mit Häme erwähnt. Ähnlich wie Dübel erging es etwa jenem Mann, der als »Florida-Rolf« an den »Bild«-Pranger gestellt wurde. Nach Bekanntwerden seines Falles gab es eine Gesetzesänderung, nach der der Bezug von Arbeitslosengeld im Ausland nicht mehr möglich ist. Erwerbslosenaktivist*innen verteidigten Personen wie Dübel: In einer Gesellschaft, in der Menschen unter immer mieseren Bedingungen malochen sollten, solle es auch das Recht geben, die Annahme von Bullshit-Jobs zu verweigern.

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