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Karneval in Berlin: Gemeinschaftlich gegen die Isolation

Kritik an Massenveranstaltungen wirkt schnell überheblich, meint Nora Noll

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 2 Min.

Unser Karneval ist politisch! Das wurden die Veranstalter*innen des bunten Großereignisses nicht müde zu betonen. Als Reaktion auf Nazi-Pogrome, ausländerfeindliche Hetze und rassistische Politik in den 90er Jahren sei der Karneval der Kulturen als Strategie der Selbstverteidigung entstanden: Wir sind hier und wir sind laut. Das sollte der Umzug mit seinen multikulturellen Darbietungen zeigen.

Diese Tradition will der Karneval aufrechterhalten und positioniert sich in diesem Jahr gegen die europäische Abschottungspolitik, rassistische Gewalt und kolonialistische Umweltzerstörung. Das lässt sich von linker Seite leicht belächeln: Die Ausländerbehörde wird nicht weniger Menschen abschieben, wenn Migrant*innen vorher Samba getanzt haben, rassistische Übergriffe lassen sich nicht wegtrommeln. Ohnehin liegen die Gründe für strukturelle Benachteiligung, Diskriminierung und Ausbeutung selten darin begründet, dass Machthabende noch nicht oft genug auf einem Karneval die farbenfrohen Trachten bewundert haben.

Ja, die Punkte sind berechtigt. Ein jährliches Fest multikultureller Repräsentation wird kaum ausreichen, um Rassismus zu beenden. Doch bei dieser Kritik schwingt immer eine überhebliche Haltung mit: Eine Massenveranstaltung dient, wie der Name schon sagt, der Massenunterhaltung – das darf der linken Szene mit ihrem Selbstverständnis als avantgardistischer Subkultur nicht gefallen. Nur der Pöbel genießt schließlich öffentlich zugängliches und kostenloses Bühnenprogramm.

Vor lauter Abgrenzung gerät der tatsächlich politische Gehalt des Karnevals aus dem Blick. Das Party-Wochenende selbst wird zwar nicht als Akt der revolutionären Selbstbehauptung in die Geschichtsbücher eingehen. Aber das, was hinter den Kulissen passiert, hat einen wichtigen Nutzen: Monatelang treffen sich Menschen, lernen sich kennen, arbeiten an einem Projekt. So vernetzen sich migrantische Communities über einen gemeinsamen Nenner, der auch vermeintlich unpolitische Menschen mit integriert. Leute aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus kommen zusammen und können auch nach dem Karneval einander unterstützen. Wenn das kein revolutionäres Handeln ist.

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