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Giro d’Italia: Primož Roglič ist kein Spätversager mehr
Der Slowene gewinnt nach einem dramatischen Zeitfahren doch noch die Italien-Rundfahrt
Gut, wenn man Freunde hat. Radprofi Primož Roglič verdankte seinen knappen und erst im letzten Moment errungenen Erfolg beim Giro d’Italia auch einem alten Skisprungkollegen. Mitja Mežnar, 2007 gemeinsam mit Roglič Juniorenweltmeister von der Schanze in Tarvisio, stand beim Zeitfahren des Giro d’Italia – das passenderweise in Tarvisio begann – an just jener Stelle, an der Roglič die Kette vom Rad sprang. Der bis dahin Zweitplatzierte schien in jenem Moment endgültig den Giro verloren zu haben. Immerhin blieb er ruhig und legte selbst die Kette wieder auf. Zurück auf dem Rad profitierte er dann vom kräftigen Anschieben durch Mežnar, dem alten Skisprung-Kumpel. Dessen Hilfe war einer der vielen Bausteine des Gesamtsiegs von Primož Roglič, es war jedenfalls der mit dem größten mythischen Gehalt.
Erreicht hat Roglič den Sieg natürlich vor allem durch eigene Kraft. Er ließ sich zu Beginn der Italienrundfahrt nicht von der schier überwältigenden Dominanz des Belgiers Remco Evenepoel beeindrucken. Der war in Topform, hatte zuvor den Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich überzeugend gewonnen. Roglič hingegen kam aus einer Rennpause von mehr als einem Monat. Er brauchte offensichtlich Zeit, um wieder in den Rennmodus zu gelangen und Wettkampfhärte zu erreichen.
Aber das war so geplant. »Wir haben die Konsequenzen aus früheren Grand Tours gezogen. Primož war dort immer zu Beginn in Topform. Gegen Ende ließ er aber etwas nach. Jetzt sind wir so herangegangen, dass er im Laufe der Rundfahrt in seine Bestform kommt und den Höhepunkt in der dritten Woche erreicht«, sagte Marc Reef, sportlicher Leiter des Siegerteams Jumbo-Visma, zu »nd«.
Dieser Plan ging auf, auch wenn ihn ein Sturz von Roglič auf der 11. Etappe kurzzeitig ausgesetzt hatte. Zeigte der Slowene auf Tagesabschnitt acht erstmals Kampfgeist, als er dem ungestümen Evenepoel 34 Sekunden abnahm – aber den in seinem Schatten mitfahrenden Briten Geraint Thomas nicht distanzieren konnte, so verbrachte Roglič die Tage nach dem Sturz lieber in Abwartehaltung. Immerhin profitierte er davon, dass Rivale Thomas ebenfalls das Warten und Lauern bevorzugte.
Anders als beim Giro 2019, als Roglič mit Vincenzo Nibali das gleiche Zauderspiel verfolgte und beide am Ende vom entschlossen attackierenden Ecuadorianer Richard Carapaz düpiert wurden, hatte der Slowene in diesem Jahr Kraft genug, die Sache doch noch für sich zu entscheiden. Sein rasantes Zeitfahren am Samstag erinnerte an das bei der Tour de France im Jahr 2020 auf der Planche des Belles Filles, als Landsmann Tadej Pogačar den Berg so hochraste wie Roglič jetzt. Damals verlor Roglič dramatisch den sicher geglaubten Triumph in Paris. Diesmal traf es den bis zur vorletzten Etappe führenden Thomas.
Bei diesem Giro wählte der 33-jährige Roglič selbst die Position des Herausforderers und erreichte seine Bestform im alles entscheidenden Moment. Das Trauma vom Bergzeitfahren 2020 in Frankreich konnte er sogar in eine Quelle der Motivation umwandeln. Und die vielen Landsleute, die über die nahe gelegenen Grenze herübergeeilt waren – und laut »Gazetta dello Sport« schon vor Tagen 60 Prozent der Tickets am Ziel erworben hatten – lösten bei ihm keinen hemmenden Leistungsdruck aus, sondern beflügelten ihn. »Es war fantastisch. Das Publikum hat mir ein paar extra Watt verliehen«, sagte Roglič später. 40 Sekunden hatte er trotz Kettenschaden auf Thomas herausgeholt. 14 Sekunden betrug danach sein Vorsprung, den er am Sonntag auch ungefährdet nach Rom brachte.
»Wenigstens ist es ein deutlicher Vorsprung, nicht nur eine Sekunde. Das hätte mich richtig geärgert«, sagte Rivale Thomas, der seine Niederlage sportlich nahm. Roglič indes hat sich von dem Vorurteil befreit, in entscheidenden Momenten zu versagen. Er nennt jetzt zwei der drei großen Rundfahrtentitel sein Eigen. Ihm fehlt nach Italien- und Spanienrundfahrt nur noch die Tour de France. Mit dem physischen Leistungsvermögen und der mentalen Stärke, die er bei diesem Giro bewies, ist auch das Triple noch drin. Seine Triumphfahrt ins rosa Trikot war jedenfalls eine Kampfansage an die jungen Rundfahrtsieger Pogačar und Evenepoel.
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