Pushback nach Libyen: Boot mit über 500 Menschen zurückgeschleppt

Die Geflüchteten befanden sich in der Seenotrettungszone von Malta und wurden trotzdem nach Benghazi gebracht

Festung Europa – Pushback nach Libyen: Boot mit über 500 Menschen zurückgeschleppt

Ein ausrangiertes Fischerboot mit über 500 Menschen an Bord ist Seenotrettern zufolge nach Libyen zurückgeschleppt worden. Das schreiben die im Mittelmeer tätigen Organisationen Alarm Phone, Sea-Watch, Mediterranea Saving Humans und Emergency in einer Erklärung. Die Geflüchteten hätten sich bereits in der maltesischen Seenotrettungszone und damit in der EU befunden, heißt es darin. Zwischenzeitlich sei ihr Boot vermisst gewesen, auch ein Suchflugzeug der Organisation Sea-Watch habe es nicht entdeckt. Am Freitag sei dann seine Ankunft im libyschen Hafen von Benghazi festgestellt worden. Nach Angaben von Angehörigen seien die Insassen dort in ein Gefängnis gebracht worden.

Unter den etwa 500 Menschen sollen sich laut den Organisationen vor allem Geflüchtete aus Syrien, Ägypten, Bangladesch und Pakistan befunden haben.

Bereits am Dienstag hätten die Menschen an Bord das von Aktivisten organisierte Notruftelefon Alarm Phone angerufen. Sie seien über Tobruk geflohen, das sich wie Benghazi im Osten Libyens befindet. Dort hat der ehemalige Innenminister Fathi Baschaga eine Gegenregierung zur international anerkannten Übergangsregierung in Tripolis aufgebaut.

Nachdem der Motor des Fischerboots ausgefallen war, sei dieses abgetrieben. Es ist nicht bekannt, wie die Geflüchteten nach ihrer viertägigen Odyssee wieder nach Ostlibyen gelangten. In ihrer Nähe sei jedoch ein Schiff einer bekannten libyschen Miliz aus Benghazi geortet worden.

Die Rettungsorganisationen vermuten, dass das Flüchtlingsboot über 330 Kilometer zurückgeschleppt wurde. Diese als Pushback bezeichnete, völkerrechtswidrige Zurückweisung sei vom Rettungszentrum in Malta koordiniert worden. Vorher seien mehrere Handelsschiffe vorbeigefahren ohne einzugreifen, so das Alarm Phone. Eines sei sogar fast mit den Geflüchteten kollidiert.

Auch habe ein Flugzeug der EU-Militärmission Irini eine zuvor angegebene Position des in Seenot geratenen Bootes überflogen. Die mit eigenen Schiffen im Mittelmeer operierenden Seenotretter seien nicht über etwaige Erkenntnisse unterrichtet worden, heißt es in der Erklärung.

Das an der Operation beteiligte deutsche Kriegsschiff »FGS Bonn« sei ebenfalls nur 100 Kilometer von dem Boot in Seenot entfernt gewesen, habe sich aber nicht zur Rettung aufgemacht.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.