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Europa-League-Finale: Der AS Rom ist Italiens neue Anomalie
Der AS Rom eröffnet in der Europa League die Finalwochen der wieder aufstrebenden Serie-A-Klubs. Im Gegensatz zum Rest spielt er noch zerstörerisch.
Die Fußballfeste in Italien gehen weiter. Nachdem das ganze Land – und nicht nur die Tifosi des SSC Neapel – den historischen Triumph der mit schönem Spiel errungenen Meisterschaft in der Serie A gefeiert hat, sind jetzt die Hauptstädter schier aus dem Häuschen. Der AS Rom steht an diesem Mittwochabend in Budapest im Finale der Europa League gegen den FC Sevilla. Eine ganze Karawane an Fans hat sich in die ungarische Hauptstadt aufgemacht. Vorher montierten einige von ihnen noch Transparente am heimischen Olympiastadion, die das »Träumen einer europäischen Nacht« versprachen.
José Mourinho, Trainer des AS Rom, vergaß vor seiner eigenen Abreise nicht, auf den historischen Moment hinzuweisen. »Nur die ganz großen Klubs spielen zwei Finale in zwei Jahren«, meinte der Portugiese. Im vergangenen Jahr hatte sein Team das Endspiel der Conference League sogar gewonnen. 1:0 hieß es damals nach 90 eher unansehnlichen Minuten in Tirana gegen Feyenoord Rotterdam. Eine Pause von 61 Jahren ohne europäischen Titel für den AS Rom war beendet. Da wäre es tatsächlich ein Coup, wenn die nächste Pause nur zwölf Monate dauerte.
Um das zu erreichen, verfiel Mourinho auf einen ganz besonderen Trick. Er will den Druck der Geschichte, dessen Last er auf seinen Spielern spürt – aus den letzten drei Ligaspielen holte sein Team nur zwei magere Punkte –, durch hübsches Gerede über schöne Erlebnisse einfach hinwegzaubern. »Ich denke nicht daran, was wir alles gewinnen können, sondern nur an die Glücksgefühle, die wir den römischen Fans schenken können. Es ist eine Stadt, die den Fußball liebt. Rom bedeutet auch Zugehörigkeit, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst«, philosophierte der ewige Selbstdarsteller mit den mittlerweile kreideweißen Haaren. Man nahm ihm sogar ab, dass er sich in diesem Moment selbst glücklich schätzte, Teil der römischen Fußballgemeinde zu sein.
Mourinho hat, das muss man ihm zugestehen, den schlafenden Riesen AS Rom erweckt. Er ist als Trainer nahbar für die Fans, lässt sich im Stadtzentrum blicken, taucht ein in das Gewühl der Metropole. Er sei, so schrieb die »Gazzetta dello Sport«, in der Stadt fast so beliebt wie der Papst. Mehr Zuneigung ist kaum denkbar. Als Fußballfachmann hat er zudem binnen zweier Jahre das Gefüge des Teams umfassend verändert. Der AS Rom war lange für schönen, gepflegten Kombinationsfußball bekannt, der allerdings nur selten Erfolge brachte.
In der Serie A sieht man dieses Manko auch jetzt noch. Die Punktebilanz unter Mourinho ist mäßig. Maximal 63 Punkte sind in diesem Jahr noch drin, mehr als Platz sechs ist unwahrscheinlich. Im vergangenen Jahr reichten sogar nur 60 Punkte für diesen Rang. Mourinho kommt in seinen zwei Spielzeiten also auf weniger Zähler als sein als erfolglos weggejagter Vorgänger Paulo Fonseca. Das sind keine tollen Bilanzen, erst recht nicht angesichts des mit 89 Millionen Euro drittteuersten Spielerkaders der Serie A, nach Juventus Turin (156) und Inter Mailand (132).
Aber es gelang dem alten Fahrensmann zumindest, seine Truppe gut auf die K.o.-Spiele einzustellen. Er vermittelte ihr das Vertrauen, entscheidende Spiele zu ihren Gunsten zu drehen. Das sieht nicht immer schön aus. Mourinho hat die defensive Kunst des Räumeverengens extrem verfeinert. Sein Team nimmt den Gegnern die Luft und auch die Lust zum Spielen, und schlägt dann gern mit einem einzigen Schlag zu.
In der aktuellen Aufwärtstendenz des italienischen Fußballs stellt das eine Anomalie dar. Vereine wie Meister Neapel, Champions-League-Finalist Inter Mailand und auch der AC Florenz zeichnen sich durch eine elastische Mischung aus Kombinationsfußball aus, der Räume öffnet und dann entschlossen in diese vordringt. Immer mehr Trainer verfolgen diesen Ansatz, der vor Jahren nur vom Pionier Gian Piero Gasperini (Atalanta Bergamo) angewendet wurde.
Neben diesem Wechsel in Spielanlagen und Mentalitäten hat sich auch das Verhältnis italienischer Vereine zu den kleinen europäischen Wettbewerben verändert. Wurden sie lange Zeit vor allem belächelt und mit Klagen über Reisen in die europäische Fußballprovinz bedacht, hat sich inzwischen herumgesprochen, dass man dort nicht nur zusätzliche Millioneneinnahmen generieren, sondern auch verbindende Erlebnisse für Teams und Fans schaffen kann.
Nur Mourinho ist weiter die Ausnahme. Er klagte noch vor dem Finale in Budapest über die anstrengende Reise nach Rasgrad in Bulgarien oder die klirrende Kälte in Helsinki – um nur einige Stationen der diesjährigen Europa-League-Saison aufzuzählen. Aber all das ist nur Motivationsrhetorik eines Mannes, der bereits fünf europäische Finale (je zwei in Champions League und Europa League, eines in der Conference League) mit vier verschiedenen Vereinen gewann.
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