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25 Jahre EZB: Von Krise zu Krise
Auch 25 Jahre nach Gründung der EZB sind die Unterschiede in der Eurozone noch groß
Ursula von der Leyen zeigte sich pflichtgemäß begeistert. In ihrer Rede, die sie kürzlich während der Geburtstagsfeier der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main hielt, verwies die EU-Kommissionschefin darauf, dass Kroatien zum Jahresanfang als 20. Land dem Euro-Währungsgebiet beitrat. Von der Leyen war in Zagreb live dabei. »Die Freude, die ich an diesem Tag gesehen habe, zeigte mir erneut, dass der Euro so viel mehr ist als nur Bargeld in unseren Taschen«, so die CDU-Politikerin.
Dabei zeigt sich am Neuling die ganze Malaise der weithin ungeliebten Währung: Schon vom Start weg reißt Kroatien die Hürden, die im Maastrichter Vertrag 1992 aufgestellt wurden. Sowohl beim staatlichen Defizit wie beim öffentlichen Schuldenstand schneidet das Land schlechter ab, als es eigentlich dürfte. Dabei ist Kroatien in der Währungsunion jedoch keine Ausnahme. Aktuell liegen zwölf der 20 Euro-Staaten mit ihren Schulden über dem laut Maastricht zulässigen Wert von maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung.
In den 1980er Jahren hatte EU-Kommissionschef Jacques Delors seinen Plan durchgedrückt, dass eine gemeinsame Währung nicht am Ende der Einigung Europas stehen, sondern als Antriebsmaschine dafür wirken sollte. Ein Geburtsfehler, wie der französische Sozialist Delors später zugab. Nur eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit könne den Euro retten. Delors hatte – wie auch linke Ökonomen – eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik gefordert, um die gewaltigen Unterschiede in Wirtschaftskraft und Sozialpolitik zwischen großen und kleinen, armen und reichen Mitgliedsländern weitgehend auszugleichen. Großbritannien mit seiner Investmentmetropole London, eine neoliberale Mehrheit unter den Regierungen und im Europaparlament verwässerten jedoch Delors’ Euro-Pläne.
Stattdessen wurde das Dogma der stabilen Preise der EZB in die Wiege gelegt, die am 1. Juni 1998 gegründet und bezeichnenderweise in Frankfurt am Main angesiedelt wurde. Im Kern setzte sich damit in der neuen Zentralbank das Bundesbank-Modell durch. »Alternativlos« war diese Zielvorgabe keineswegs: So spielen für die US-Notenbank Fed die Preise lediglich eine untergeordnete Rolle, entscheidend sind Konjunktur, Beschäftigung und Entwicklungen auf den Finanzmärkten.
»Die EZB hat vieles richtig gemacht. Aber man muss auch einiges sehr deutlich kritisieren«, sagte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. So habe die EZB als Teil der Troika während der Eurokrise mit dazu beigetragen, dass »die sozialen Lasten unnötig groß und die Gewinne einiger Banken und anderer Finanzmarktakteure sehr hoch waren«. Für die nächsten 25 Jahre solle die EZB mehr Distanz zur Bankenlobby entwickeln, wünscht sich Schick.
Der erste EZB-Präsident, Wim Duisenberg, war dann auch ein Kompromisskandidat, mit dem eine »anti-deutsche« lockere Geldpolitik zunächst verhindert wurde. Jean-Claude Trichet, der 2003 auf Duisenberg folgte, hatte zuvor als Notenbankchef in Frankreich aus der Weichwährung Franc eine Hartwährung à la Deutsche Mark gemacht. Das mag linken Ohren in Deutschland befremdlich klingen, es sicherte aber der »Grande Nation« einen Platz auf Augenhöhe mit dem reichen Bruder im Westen, der einst als Erzfeind galt.
Trichet begründet seinen Stabilitätskurs zudem nicht wirtschaftsliberal, sondern sozial: Das Kapital werde nur auf Grundlage stabiler Preise investieren und zu Wachstum und Arbeitsplätzen beitragen. Extreme Preisstabilität und harte Währung erfordern jedoch relativ hohe Leitzinsen. So stieg der Leitzins unter Trichet auf über vier Prozent.
Dabei gilt in der Geldtheorie, dass ein hoher Leitzins auf die Konjunktur drückt, während ein niedriger sie stimuliert. Denn Zinsanhebungen machen Kredite teuer und drosseln so die Nachfrage und letztlich auch die Konjunktur, während Zinssenkungen Kredite vergünstigen und so Konsum wie Wirtschaftsleistung fördern.
Erst Mario Draghi, der 2011 von Trichet den Chefposten bei der EZB übernahm, leitete unter dem Eindruck der durch die Finanzkrise 2007/08 ausgelösten Wirtschafts-, Banken- und Staatsschuldenkrise die geldpolitische Kehrtwende ein. Im Juli 2012 versicherte Draghi während einer heute legendären Rede in London, »alles Notwendige« zu tun, um den Euro zu erhalten und kündigte den Ankauf von Staatsanleihen an. Es folgte eine dauerhafte Niedrigzinspolitik. Der Leitzins sank bis auf 0,0 Prozent. Die jetzige EZB-Chefin Christine Lagarde setzte diese Niedrigzinspolitik zunächst fort, bis die Inflation während der zweiten Jahreshälfte 2021 anzog. In kurzer Zeit erfolgten sieben Leitzinserhöhungen. Seit Mai beträgt der Leitzins 3,75 Prozent.
Solch eine Zahl mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen. »Die EZB hat im Kampf gegen die Inflation seit dem Ausbruch der Energie- und Nahrungsmittelpreise versagt«, kritisiert jedoch Ökonom Rudolf Hickel gegenüber »nd.derTag« den Kurs der EZB. Auf die durch die importierten Angebotspreise getriebene Inflationsdynamik habe Lagarde letztlich mit einer restriktiven Geldpolitik geantwortet. »Anstatt offensiv die Ursachen zu erklären und zuzugeben, dass die Geldpolitik gegen diesen Inflationsimport nicht erfolgversprechend vorgehen kann, hat sie sich in ein Vertrauensdilemma manövriert.« Die hohen Zinsen dämpften nun die Nachfrage nach Bankkrediten, verhinderten dadurch Investitionen von Unternehmen und trieben die Baukosten in schwindelerregende Höhen. Die jüngsten Konjunkturzahlen stützen Hickels Analyse: So rutschte die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Monaten dieses Jahr in die Rezession. Der Grund war die sinkende Nachfrage.
Unterdessen sind auch nach 25 Jahren EZB die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede in der Eurozone noch groß. Während die Inflation in Luxemburg etwa bei moderaten 2,7 Prozent liegt, steigen die Preise in Lettland um 15 Prozent. Und auch in Kroatien dürfte sich die Begeisterung über den Euro angesichts einer fast zweistelligen Inflationsrate eher in Grenzen halten. Der Euro ist eben doch vor allem Geld.
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