Seenotrettern der Sea-Eye droht Strafe

In Deutschland registriertes Schiff musste in zwei Notfällen retten

Die Rettung des zweiten Holzbootes am Dienstag.
Die Rettung des zweiten Holzbootes am Dienstag.

Am Dienstagabend hat die Crew des Schiffs »Sea-Eye 4« insgesamt 32 Menschen aus einem Holzboot gerettet. Den Notfall in der maltesischen Seenotrettungszone hatte zuvor die Besatzung einer Segelyacht gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt hatte das in Deutschland registrierte Rettungsschiff bereits 17 Menschen an Bord, die zwei Tage vorher gerettet worden waren. Zu deren Ausschiffung befand sich die »Sea-Eye 4« auf dem Weg nach Ortona an der adriatischen Küste.

Den rund 2500 Kilometer entfernten Hafen hatte die italienische Seenotleitstelle dem Kapitän der »Sea-Eye 4« zugewiesen. Die Maßnahme gehört zu der Politik der neuen Rechts-Regierung unter der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Durch die langen Wege werden die Schiffe der Hilfsorganisationen für einen längeren Zeitraum aus dem zentralen Mittelmeer ferngehalten.

Das am 24. Februar erlassene Dekret sieht außerdem vor, dass die Rettungsschiffe den zugewiesenen Hafen sofort nach einer Rettung ansteuern müssen. Es ist demnach verboten, weiteren Booten in Seenot Hilfe zu leisten. Die Regierung reagiert damit auf Fälle, in denen die Seenotretter auf ihrem Weg in einen Hafen weitere Menschen an Bord nehmen. Zuständig für die Umsetzung des Dekrets ist der Verkehrsminister Matteo Salvini, der von Juni 2018 bis September 2019 als Innenminister einen harten Kurs gegen Seenotretter fuhr.

Bei Verstößen gegen die neuen Regelungen drohen den Kapitänen Geldstrafen bis zu 50 000 Euro. Zudem könnten die Schiffe von den italienischen Behörden festgesetzt werden. So erging es etwa der »Geo Barents«, die von Ärzte ohne Grenzen betrieben wird. Die Organisation musste wegen einer zweifachen Rettung in diesem Jahr 10 000 Euro bezahlen, das Schiff wurde zur Strafe für 30 Tage blockiert.

Der Verein Sea-Eye, der das Schiff »Sea-Eye 4« betreibt, fürchtet nun weitere Einschränkungen seiner Missionen. Indem Italien zur Ausschiffung immer weiter entfernte Häfen zuweist, seien Missionen finanziell viel aufwendiger.

Bis jetzt ist aber unklar, wie die Verkehrsbehörden auf den Vorfall reagieren. Die »Sea-Eye 4« wird spätestens Montag in Ortona eintreffen, erfuhr das »nd« vom Vorsitzenden von Sea-Eye, Gorden Isler. Restriktionen seien aber absehbar, so Isler. Nachdem das Rettungsschiff seinen Kurs zum zweiten Seenotfall änderte, habe die Besatzung Nachrichten italienischer Behörden erhalten. Darin sei der Kapitän aufgefordert worden, wieder Kurs auf den zugewiesenen Hafen in Ortona zu nehmen.

Auf dem Schiffsrumpf stehe das Versprechen »LeaveNoOneToDie« (»Überlasse niemanden dem Tod«), sagt Isler dem »nd«. Deshalb habe die Besatzung der »Sea-Eye 4« auf dem Weg nach Ortona gewendet. »Die völkerrechtliche Verpflichtung, Menschen in Seenot zu Hilfe zu kommen, wiegt schwerer als nationale Dekrete«, so der Vereinsvorsitzende.

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