Hurentag: Der Kanarienvogel in der Kohlemine

Sexarbeitende in Berlin protestieren gegen Stigmatisierung und Zwangsregistrierung

Seit 1976 machen Sexarbeiter*innen am 2. Juni, dem Internationalen Hurentag, auf ihre Lebenssituation aufmerksam. Das Datum geht auf die Besetzung der einer Kirche in Lyon 1975 zurück, als etwa 100 Sexarbeitende gegen die zunehmenden Repressalien durch die Polizei protestierten und in Streik traten. In Deutschland wurde der Tag 1989 das erste Mal begangen.

In Berlin findet am Samstag eine Demonstration zum Internationalen Hurentag statt. Das Symbol ist der Kanarienvogel in der Kohlemine, ein Warnsignal für eine kommende Gefahr. »Wir identifizieren drei Hauptprobleme für Sexarbeiter*innen in Deutschland: erstens Stigmatisierung, zweitens Diskriminierung und drittens staatliche Regulierung und Repression«, sagt Jan auf einer Informationsveranstaltung im Vorfeld der Demonstration. Jan ist Sexarbeiter*in und Teil der Berliner Sex Worker Action Group (Aktionsgruppe für Sexarbeiter*innen, Swag), welche die Demonstration mitorganisiert.

Swag kritisiert das Prostituiertenschutzgesetz. Die notwendige Registrierung durch den sogenannten Hurenpass, um legal arbeiten zu dürfen, führe zu einem Zwei-Klassen-System zwischen registrierten und nicht registrierten Sexarbeitenden. »Die meisten können oder wollen sich nicht registrieren lassen«, sagt Jan. Zum Beispiel Menschen, die Schwierigkeiten haben, einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. »Es gibt ein paar wenige privilegierte Sexarbeiter*innen und es gibt starke Diskriminierung von Migrant*innen.«

Ein weiteres Problem der staatlichen Regulierung sei, dass es für viele kleinere Arbeitgeber nicht möglich sei, den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. »Kleine, arbeiter*innengeführte, autonome Arbeitsplätze verschwinden. Große Bordelle bleiben«, sagt Jan.

Swag richtet sich mit der Informationsveranstaltung besonders an ein linkes Zielpublikum, um dieses für den gemeinsamen Kampf zu gewinnen. »Wenn es Sexarbeiterinnen passieren kann, dann kann es allen passieren«, sagt Iris zu »nd«. Auch Iris ist Sexarbeiter*in und bei Swag organisiert. Die Initiative betont die Überschneidung der Kämpfe von Sexarbeiter*innen mit anderen linken Kämpfen, zum Beispiel gegen rassistische Diskriminierung.

So seien 65 Prozent der Arbeiter*innen in Westeuropa Migrant*innen und würden doppelt stigmatisiert. »Es gibt keine Sexarbeit ohne Migration.« Ebenso sei der feministische und queere Kampf ein gemeinsamer. Dabei gehe es einerseits darum, dass Sexarbeit wie jeder andere Sektor im Service-Bereich gesellschaftlich abgewertet sei und andererseits darum, dass Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen (Flinta) sich als handlungsfähige Subjekte beweisen müssen. »Sexarbeiter*innen und queere Menschen passen beide nicht in das heteronormative, monogame Bild«, sagt Dani von Swag. So seien trans Sexarbeitende of Colour schon immer eine zentrale treibende Kraft in der Bewegung gewesen. »Es ist der Kampf um Autonomie und Selbstbestimmung über den eigenen Körper.«

Auf der Demonstration am Samstag möchten die Leute von Swag deshalb möglichst viele Verbündete sehen, auch wenn der Fokus auf der Zusammenkunft von Sexarbeitenden liegt. »Der Internationale Hurentag ist eine Gelegenheit für alle Sexarbeiter*innen, zusammenzukommen, der Geschichte der eigenen Community zu gedenken und sich gegen die Ungerechtigkeit auszusprechen«, sagt Iris.

Zu den zentralen Forderungen des Bündnisses gehört, die Zwangsregistrierung von Sexarbeiter*innen zu beenden. Außerdem will man in die Evaluierung des Prostituiertenschutzgesetzes durch das Bundesfrauenministerium einbezogen werden, die im vergangenen Jahr startete. »Die Stimmen von Sexarbeitenden müssen in dem Prozess gehört werden. Uns betrifft das Gesetz schließlich«, so Iris. Weiterhin verlangen die Sexarbeiter*innen von der Berliner Polizei, besonders in Schöneberg, Angriffe auf Sexarbeitende ernst zu nehmen und entsprechend zu reagieren.

»Nach der Demonstration, auf der wir unsere Forderungen die Öffentlichkeit tragen werden, werden wir uns darum kümmern, dass diese auch umgesetzt werden, und mit den entsprechenden Organisationen in Kontakt treten«, sagt Iris. Zunächst erhofft sie sich aber eine große Demo mit vielen Sexarbeiter*innen und Verbündeten, um sich für die folgende Zeit zu stärken.

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